BE:Grundsatzprogramm/Kernthemen

Dies ist ein Entwurf (Arbeitsstand 29.06.2010)


Berlin braucht mehr Demokratie!

Für die Piratenpartei stehen die Bürger im Zentrum des gesellschaftlichen Prozesses. Ihre politische Beteiligung und ihr bürgerschaftliches Engagement zu stärken, ist unser vorrangiges Ziel. Aus diesem Grund geben wir uns mit der gegenwärtigen Verfasstheit der Demokratie in Deutschland und Berlin nicht zufrieden. Die gesellschaftliche Erstarrung in eine Parteiendemokratie behindert nicht nur die Sachpolitik, sondern führt vermehrt zu einem Zweifel an der Volkssouveränität. Für uns bedeutet Demokratie nicht gönnerhaft gewährte, sporadische "Mitbestimmung", sondern die alltägliche politische Einflussnahme aller Bürger. Die Verwirklichung einer solchen Bürgerdemokratie stellt für die Piraten die zentrale Zukunftsaufgabe dar.

Angesichts eklatanten Demokratiedefiziten und der mangelnden Bemächtigung der Bürger gegenüber Regierung und Administration sehen die Piraten dringenden Handlungsbedarf in Berlin. Repräsentative Gremien in den Bezirken und direktdemokratische Entscheidungen auf allen politischen Ebenen müssen mit politischer Macht ausgestaltet werden. Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt in Berlin haben, dürfen nicht nur Pflichten, sondern müssen auch alle Rechte von Bürgern erhalten. Voraussetzung dafür ist eine Haltung der Offenheit und Verpflichtung von Politik und Verwaltung gegenüber Bürgern und zivilgesellschaftlichen Strukturen.

Für eine transparente Politik und Verwaltung

Demokratie steht und fällt mit der Möglichkeit der Bürger, sich frei zu informieren, politische Arbeit zu prüfen und auf dieser Grundlage eine fundierte Wahlentscheidung zu treffen. Ebenso können stete Verbesserungen der administrativen Prozesse nur angeregt und eingefordert werden, wenn diese gegenüber dem Bürger transparent und verpflichtend verlaufen. Die Einsicht in die Arbeit von Politik und Verwaltung ist ein fundamentales Bürgerrecht, das auch zum Funktionieren dieser Institutionen durchgesetzt werden muss.

Im Gegensatz dazu untergräbt der bisher praktizierte Geheimhaltungsgrundsatz die demokratische Kontrolle und Legitimation, erschwert notwendige Kritik und leistet Filz und Korruption Vorschub. Die Piraten schlagen daher einen grundsätzlichen Wechsel zum Prinzip der größtmöglichen Öffentlichkeit von Politik und Verwaltung vor. Dies schließt eine allgemeine Veröffentlichungspflicht von Aufgabenübertragungen und Verträgen mit privaten und öffentlichen Unternehmen, gerade in Bereichen der Daseinsvorsorge, ausdrücklich mit ein. Die Piraten meinen, dass eine Reformierung des Informationsfreiheitsgesetzes mit Prüfung der Bereichsausnahmen und Schaffung der Gebührenfreiheit nur ein Anfang sein kann. Vielmehr müssen Politik und Verwaltung zur unaufgeforderten, öffentlichen Information der Bürger in den sie betreffenden Belangen verpflichtet werden.

Elektronische Technologien ermöglichen heute prinzipiell die strukturierte Veröffentlichung aller Daten, Dokumente und Prozesse, die in Regierung und Administration erarbeitet werden. Diese müssen durch einfach nutzbare Strukturen erschlossen werden, die jedem Bürger zeitnah und auf Wegen seiner Wahl den Zugriff auf benötigte Informationen ermöglichen.

Für ein Mehr an Demokratie

Demokratischen Prinzipien, die den Bürgerwillen widerspiegeln, wird in der Berliner Verfassung nicht ausreichend Rechnung getragen. Entscheidungen der Bezirksverordnetenversammlungen, ebenso wie bezirkliche Bürgerentscheide, verfügen zum großen Teil über keine rechtliche Bindungskraft. Das Zahlenverhältnis von Bezirksverordneten und Bürgern ist im Vergleich zu den Kommunen der Flächenländer beschämend niedrig. Die Piraten sehen hierin einen eklatanten Mangel an demokratischer Legitimation auf lokaler Ebene und fordern daher eine umfassende Neudefinition dieser repräsentativen und direktdemokratischen Strukturen.

Elektronische Interaktionsformen haben das Potential, den Bürger in das Zentrum der politische Entscheidungsfindung zu rücken. Intelligente Dialog- und Petitionssysteme sowie Bürgerhaushalte bilden aus Sicht der Piraten dafür nur den Anfang. Zukünftige Partizipationssysteme müssen konventionelle und elektronische Beteiligungen breitenwirksam zusammenführen und die verbindliche Einflussnahme von allen Bürgern ermöglichen. Der umfassende inhaltliche Ausbau und die stete technische Weiterentwicklung solcher Systeme ist ein unabdingbarer Bestandteil weiterer Demokratisierung.

Die Piraten sehen in der Verwirklichung einer „liquiden Demokratie“, also der gleichberechtigten Verknüpfung von direktdemokratischen Entscheidungen und politischer Delegation die Zukunft eines bürgerdemokratischen Gemeinwesens.

Für eine bürgerzentrierte Verwaltung

Eine zielorientierte elektronische Verwaltungsmodernisierung (eGovernment) bietet einen zusätzlichen Weg der bürgerzentrierten Gestaltung von administrativen Aufgaben. Redundante Bürger- und Behördenleistungen können durch eine effektive Koordinierung der verwaltungsinternen Abläufe minimiert werden; dies ist mit regelmäßigen Statusmeldungen gegenüber dem beantragenden Bürger zu verknüpfen. Prinzipiell befürworten die Piraten den Ansatz einer zentralen Ansprechstelle bzw. Verwaltungsportals für alle Bürgerangelegenheiten gegenüber dem gegenwärtigen Ressortprinzip. Die Piraten meinen, dass behördlichen Angelegenheiten zur elektronischen Abwicklung angeboten werden müssen, der Schutz von personenbezogenen Daten und der informationellen Selbstbestimmung ist hierbei jedoch unbedingt sicher zu stellen.

Für die Förderung der Open Culture in Politik und Verwaltung

Die Piraten meinen, dass mit öffentlichen Mitteln produzierte und finanzierte Güter uneingeschränkt der Allgemeinheit zustehen. Wir sehen keinen einleuchtenden Grund dafür, dass das Open-Access-Prinzip auf den Bereich der Wissenschaftskommunikation beschränkt bleiben sollte. Daten, Dokumente und Prozesse, die durch Regierung und Administration erarbeitet werden, sollten nicht nur generell veröffentlicht werden, sondern auch unter einer Lizenz, die jegliche Nachnutzung ermöglicht. Für öffentliche Daten und Dokumente sind mehrere parallel vorliegende Datenformate, besonders aber nichtproprietäre und maschinenlesbare Formate, anzustreben.

Ebenso müssen sonstige, in öffentlichen Zusammenhängen geschaffene digitale Güter wie Software, Datenbanken, und andere durch das Urheberrecht geschützte Werke der Allgemeinheit frei zur Verfügung gestellt werden. Bei der externen Beschaffung oder Beauftragung solcher Werke müssen generell "frei" lizenzierte Alternativen den Vorrang erhalten. Dies gilt insbesondere für den kostenintensiven Bereich der EDV. Der Einsatz von Freier und Open-Source-Software in den öffentlichen Infrastrukturen darf nicht nur die wohlwollende Ausnahme, sondern muss die Norm sein.

Für die Trennung von Staat und Religion

Für die Piraten stellen Freiheit und Vielfalt von kulturellen, religiösen und weltanschaulichen Einstellungen eine Grundbedingung von modernen Gesellschaften dar. Die Gleichberechtigung und Gleichbehandlung aller Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ist jedoch derzeit alles andere als selbstverständlich. Aus diesem Grund treten wir dafür ein, dass die weltanschauliche Neutralität des Staates ohne Abstriche durchgesetzt wird. Religiöse und staatliche Belange müssen strikt getrennt werden und die Privilegierung einzelner Glaubensgemeinschaften, etwa bei der Übertragung von sozialen Aufgaben und beim Kirchensteuereinzug, ist abzuschaffen

Sicherung der Privatsphäre und Stärkung des Datenschutzes

(zusammenkürzen? Berlinbezug?)

Der Schutz der Privatsphäre und der Datenschutz gewährleisten Würde und Freiheit des Menschen. Die überwachte Gesellschaft ist eine konkrete Bedrohung, wie Bürgerinitiativen und Datenschutzbeauftragte vermehrt feststellen. Die Piratenpartei Berlin kämpft gegen jede Form der unangemessenen Kontrolle und fordert, dass jede Maßnahme zum Beispiel der Videoüberwachung, der Überwachung von Telefon- und E-Mail-Verkehr, dem Einsatz biometrischer Verfahren und der Aufbau genetischer Datensammlungen im Lande Berlin sorgfältig und öffentlich begründet werden muss und nicht wie bisher pauschal als notwendige Maßnahme zur Wahrung der Inneren Sicherheit abgesegnet wird.

Privatsphäre ist eine Voraussetzung für persönliche Freiheit und ist mehr als das Recht, in Ruhe gelassen zu werden; sie ist vielmehr ein aktives Recht, darüber zu bestimmen, welche Daten über sich von anderen verwendet werden. Nur so sind Meinungsfreiheit und das Recht auf persönliche Entfaltung zu garantieren. Wenn staatliche Stellen Bürger beobachten, die nicht eines Verbrechens verdächtig sind, ist dies eine inakzeptable Verletzung des Bürgerrechts auf Privatsphäre. Jedem Bürger muss das Recht auf Anonymität garantiert werden, das unserer Verfassung innewohnt. Die Weitergabe personenbezogener Daten vom Staat an die Privatwirtschaft hat in jedem Falle zu unterbleiben. Der vorherrschende Kontrollwahn stellt eine weitaus ernsthaftere Bedrohung unserer Gesellschaft dar als der internationale Terrorismus und erzeugt ein Klima des Misstrauens und der Angst. Flächendeckende Videoüberwachung öffentlicher Räume, fragwürdige Rasterfahndungen, Online-Durchsuchungen, zentrale Datenbanken mit unbewiesenen Verdächtigungen sind Mittel, deren Einsatz wir ablehnen.

Informationelle Selbstbestimmung: Das Recht des Einzelnen, die Nutzung seiner persönlichen Daten zu kontrollieren, muss gestärkt werden. Dazu müssen insbesondere die Datenschutzbeauftragten völlig unabhängig agieren können. Neue Methoden wie das Scoring machen es erforderlich, nicht nur die persönlichen Daten kontrollieren zu können, sondern auch die Nutzung aller Daten, die zu einem Urteil über eine Person herangezogen werden können. Jeder Bürger muss gegenüber den Betreibern von Datenbanken einen durchsetzbaren und wirklich unentgeltlichen Anspruch auf Selbstauskunft und gegebenenfalls auf Korrektur, Sperrung oder Löschung der Daten haben.

Auch Wirtschaft, Werbung und Marktforschung stellen mit Adressenhandel, Phishing oder Spam-Missbrauch nicht nur eine lästige bis kriminelle Erscheinung dar, sondern bedrohen die informationelle Selbstbestimmung der Bürger. Dieser Missbrauch der technischen Potentiale muss durch Kontrollen von unabhängiger Stelle Einhalt geboten werden. Erhebung und Nutzung biometrischer Daten und Gentests erfordern eine besonders kritische Bewertung. Der Aufbau von Datenbanken mit solchen Daten muss unterbleiben. Generell müssen die Bestimmungen zum Schutze personenbezogener Daten die Besonderheiten digitaler Daten, wie etwa mögliche Langlebigkeit und schwer kontrollierbare Verbreitung, stärker berücksichtigen. Gerade weil die Piratenpartei für eine stärkere Befreiung von Information, Kultur und Wissen eintritt, fordert sie Datensparsamkeit, Datenvermeidung und unabhängige Kontrolle von personenbezogenen Daten, die für wirtschaftliche oder Verwaltungszwecke ausgenutzt werden und damit geeignet sind, die Freiheit und die Informationelle Selbstbestimmung des Bürgers unnötigerweise zu beschränken.

Novellierung des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes

(entfällt, da oben einbearbeitet)

Es sollen die Bereichsausnahmen in diesem Gesetz überprüft und Gebührenfreiheit erreicht werden, da die bestehenden Regelungen abschreckend wirken und den Informationszugang unnötig erschweren.

Darüber hinaus soll das Informationsfreiheitsrecht aufgewertet und Bestandteil der Verfassung von Berlin werden mit etwa folgendem Inhalt: „Alle Berlinerinnen und Berliner haben das Recht, sich in Bürgerinitiativen oder Verbänden zur Beeinflussung öffentlicher Angelegenheiten zusammenzuschließen. Diese haben das Recht auf Information durch alle staatlichen und kommunalen Stellen und auf Vorbringen ihrer Anliegen bei den zuständigen Stellen und Vertretungskörperschaften."

Open Access in der Berliner Verwaltung

(ist nicht nur OA. entfällt hier, da oben eingearbeitet)

Software und andere digitale Güter, die aus öffentlichen Mitteln produziert werden, sollen in das Open-Access-Konzept einbezogen werden. Alle Werke, die im Auftrag von staatlichen Berliner Stellen erstellt werden, sollen der Öffentlichkeit frei zur Verfügung stehen. Der Quelltext von Software muss dabei Teil der Veröffentlichung sein. Damit wird die Nachhaltigkeit der öffentlich eingesetzten Informationsinfrastruktur gefördert und die Abhängigkeit von Softwareanbietern verringert.

Trennung von Staat und Religion

(auch nach oben!)

Für die Piraten stellen Freiheit und Vielfalt von kulturellen, religiösen und weltanschaulichen Einstellungen eine Grundbedingung von modernen Gesellschaften dar. Die Gleichberechtigung und Gleichbehandlung aller Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ist jedoch derzeit alles andere als selbstverständlich. Aus diesem Grund treten wir dafür ein, dass die weltanschauliche Neutralität des Staates ohne Abstriche durchgesetzt wird. Religiöse und staatliche Belange müssen strikt getrennt werden und die Privilegierung einzelner Glaubensgemeinschaften, etwa bei der Übertragung von sozialen Aufgaben und beim Kirchensteuereinzug, ist abzuschaffen.