Benutzer:Gregor Samsa/ACTA Rede 09.06.2012 Heidelberg

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Version vom 10. Juni 2012, 12:54 Uhr von imported>Gregor Samsa
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Anmerkung: Die hier niedergeschriebene Rede wurde in dieser Form nie gehalten. Mangels Teilnehmer an der dritten Heidelberger ACTA-Demo wurde sie nicht wie geplant am Uniplatz gehalten, sondern im kleineren Kreis, stilistisch an die Gegebenheiten der Sitaution angepasst, auf dem Marktplatz sinngemäß wiedergegeben.


Zum dritten Mal innerhalb eines halben Jahres gehen wir heute auf die Straße. Als wir 2009 angefangen haben, auf ACTA aufmerksam zu machen, hätten wir nicht gedacht, dass wir es jemals schaffen würden, unser Anliegen in die öffentliche Wahrnehmung zu tragen und eine Debatte darüber anzustoßen. Doch durch unseren Einsatz haben die Medien ACTA ins Visier genommen. Durch unseren Einsatz spricht die Politik wieder über ACTA. Durch unseren Einsatz muss ACTA im Bundestag besprochen werden. Heute versammeln sich erneut mehrere tausend Menschen in ganz Europa, um gegen ACTA zu demonstrieren. Mehrere Staaten haben die Anweisung zur Ratifizierung von ACTA bereits zurückgezogen, ausgesetzt oder das Handelsabkommen vollständig abgelehnt. Ich finde, das kann sich sehen lassen.

Aber noch haben wir nicht gewonnen. Auch wenn Politik und Medien uns glauben machen wollen, dass ACTA vom Tisch sei, dürfen wir nicht auf diesen Beschwichtigungsversuch hereinfallen. Wir können es uns nicht erlauben, uns zurückzulehnen und darauf zu vertrauen, dass „die da oben“ geläutert seien. Denn dann würde ihr Plan aufgehen. So lange sie sich nicht dazu verpflichten, ACTA abzulehnen, kaufen wir ihnen ihr „Niemand hat die Absicht, ACTA zu ratifizieren“ nicht ab. Deshalb müssen wir gerade jetzt den öffentlichen Druck aufrechterhalten. Deshalb müssen wir gerade jetzt laut sein. Deshalb müssen wir gerade jetzt den Entscheidungsträgern zu verstehen geben: Stoppt ACTA!

Wir alle wissen, dass ACTA auf undemokratischem Wege zustande gekommen ist. Dass nicht gewählte Volksvertreter dieses Abkommen erarbeitet haben, sondern die verschiedensten Interessenvertreter der Wirtschaft ihnen ACTA vorgelegt haben. Wir sind uns darüber im Klaren, welche Auswirkungen das durch ACTA mögliche, verschärfte Patentrecht auf Saatgut und Medikamente vor allem in Entwicklungsländern haben kann. Wir haben sehr wohl verstanden, dass auf diese Art und Weise Millionen Menschen ihr Überleben nicht bezahlen können, weil sie sich weder die Lizenzkosten für den Anbau von Nutzpflanzen, noch die monopolistisch vertriebene unerlässliche Medikation für beispielsweise eine AIDS-Therapie leisten können. Wir haben begriffen, dass ACTA ein Schildbürgerstreich ist, der an Dreistigkeit nicht zu überbieten ist.

Aber nicht mit uns! Die Macher von ACTA gehen von einer teilnahmslosen, faulen und ungebildeten Masse als Wahlbevölkerung aus, an der sie ihr hanebüchenes Eigentumsverständnis vorbeischmuggeln müssen. Nur so lässt sich erklären, weshalb man in Brüssel annimmt, die weltweiten Proteste gegen ACTA seien das Resultat von – wörtlich - „unzureichender Informationspolitik“

Selbst Amnesty International geht anhand der Inhalte von ACTA davon aus, dass durch das Abkommen gleich mehrere Menschenrechte verletzt werden würden. Darunter sind:

  • das Recht auf ein angemessenes Verfahren
  • das Recht auf Achtung des Privatlebens
  • das Recht auf Informationsfreiheit
  • das Recht auf Meinungsfreiheit
  • und wie bereits angedeutet das Recht auf Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten

Der Widerstand wächst. Nicht nur die so genannten Wutbürger, Krawallmacher, Nerds und Raubkopierer stellen sich gegen ACTA, auch namhafte Organisationen wie eben Amnesty International kritisieren das Abkommen aufs Schärfste. Man ahnt also in Brüssel bereits, dass sich ACTA so nicht durchsetzen lässt. Deshalb gibt es alten Wein in neuen Schläuchen, in der Hoffnung, der europäischen Bevölkerung würde der Etikettenschwindel nicht auffallen. Die Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, oder griffiger „IPRED“ steht in einer überarbeiteten Fassung bereits in den Startlöchern. Doch die Reform hat ein G'schmäckle: in der neuen Version von IPRED ist genau der Teil aus ACTA übernommen worden, der dort wegen eines mangelnden Konsens hatte gestrichen werden müssen: der zum Internet.

Brüssel hat also nicht verstanden, worum es geht. Man versucht uns und die gesamte europäische Öffentlichkeit zu beschwichtigen, hinzuhalten und abzulenken. Darum lasst es uns den Entscheidern unmissverständlich klar machen:
Wir wollen keine Zensurinfrastrukturen!
Wir wollen keine Aushöhlung des Rechtsstaatsprinzips!
Wir wollen keine technischen und rechtlichen Grundlagen zur Überwachung!
Wir wollen keine Kriminalisierung von Internetusern!
Wir wollen keine künstlich aufrechterhaltenen Monopole!
Wir wollen keine Wegzölle für Wissen!
Wir wollen keine Beschneidung unserer Grund- und Menschenrechte!
Weder im Internet, noch im Real Life.

ACTA ist Ideenfeudalismus, der die Möglichkeit zur Innovation, sowie den potentiellen Wohlstand aller zugunsten der Profitmaximierung einiger weniger verhindert. Diese mittelalterliche Idee hat in der Welt des 21. Jahrhunderts nichts mehr zu suchen.

Ich bin Tobias Betzin und ich bin Pirat. Stoppt ACTA!