ACTA/PIJIP

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Dies ist eine deutsche Übersetzung der Erklärung der American University Washington College of Law (gemeinsame Erklärung) zu den Gefahren von ACTA Das Original ist englisch und es wird auf Übersetzungen in andere Sprachen verlinkt.

Die Erarbeitung fand in diesem Piratenpad statt: http://piratenpad.de/PIJIP-ACTA-Erkl-C3-A4rung

Hinweis: Keiner der Übersetzer war Profi für (US) Recht, wir haben hoffentlich die Fachbegriffe richtig enträtselt und wiedergegeben.


Internationale Experten sind der Ansicht, dass das Anti-Counterfeiting Trade Agreement eine Gefahr für öffentliche Interessen ist

23. Juni 2010
American University Washington College of Law
Washington, D.C.

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Diese Erklärung gibt die an der American University Washington College of Law vom 16. bis 18. Juni 2010 gesammelten Schlussfolgerungen wieder, die auf einem Treffen von mehr als 90 Akademikern, praktizierenden Juristen und gemeinnützigen Organisationen aus sechs Kontinenten erarbeitet wurden. Das im Rahmen des Program on Information Justice and Intellectual Property der American University einberufene Treffen wurde abgehalten, um den offiziellen Inhalt des Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA), das zum ersten Mal im April 2010 veröffentlicht wurde, auszuwerten.
Die Verhandlungsparteien veröffentlichten den Text erst nach öffentlicher Kritik an dem ungewöhnlich geschlossenen Prozess und weitverbreiteten Unruhen über die mutmaßlichen Inhalte der Verhandlungen (siehe auch Wellington Declaration ( http://publicacta.org.nz/wellington-declaration/ ), Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. März 2010 zur Transparenz und zum Stand der Verhandlungen über das ACTA ( http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-2010-0058+0+DOC+XML+V0//DE )).

Wir befinden, dass die Bedingungen des öffentlich bekanntgegebenen Entwurfs von ACTA eine Vielzahl von öffentlichen Interessen bedrohen, einschließlich aller Befürchtungen, die von den ACTA-Unterhändlern als nicht zutreffend zurückgewiesen wurden. ( http://www.ustr.gov/about-us/press-office/press-releases/2010/april/office-us-trade-representative-releases-statement-ac )

Unserer Meinung nach bedrohen die Bedingungen des öffentlich bekanntgegebenen Entwurfs von ACTA viele öffentliche Interessen. Dies schließt insbesondere Befürchtungen ein, die von den ACTA-Unterhändlern zurückgewiesen wurden:

  • Unterhändler behaupten, dass ACTA nicht mit den fundamentalen Rechten und Freiheiten der Bürger in Konflikt kommt; doch das wird es.
  • Sie behaupten, ACTA ist vereinbar mit dem WTO-Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum (TRIPS), doch das ist es nicht.
  • Sie behaupten, ACTA würde die Anzahl der Grenzdurchsuchungen nicht erhöhen oder Grenztransfers von legalen generischen Medikamenten nicht beeinträchtigen; doch das wird es.
  • Und sie behaupten, dass ACTA kein "gestuftes Vorgehen" ("Three Strikes") beim Trennen der Bürger vom Internet erfordert; das Abkommen ermuntert Politiker jedoch sehr stark zu solchen Umsetzungen.

ACTA ist ein vorhersagbar mangelhaftes Produkt eines schwer fehlerhaften Prozesses. Was als relativ simpler Vorschlag zur Koordination von Grenzkontrollen startete, hat sich zu einem umfassenden und komplexen Regelwerk über das internationale geistige Eigentumsrecht und über Internetregulierung gewandelt; mit schwerwiegenden Konsequenzen für die globale Ökonomie und für die Fähigkeit der Regierungen, öffentliche Belange zu fördern und zu schützen .

Jede Vereinbarung in diesem Umfang und mit diesen Konsequenzen muss auf einem breiten und sinnvollen Beratungsvorgang in der Öffentlichkeit beruhen. Jederzeit müssen die aktuellen Verhandlungstexte und Vorschläge zugänglich sein und die Verhandlungen müssen alle betroffenen öffentlichen Interessen widerspiegeln. Wie weiter unten aufgeführt, verfehlt ACTA diese Standards.

Unter Berücksichtigung, dass die Bedingungen der Übereinkunft in weiteren Geheimverhandlungen über einen Text, zu dem wir keinen Zugang haben, weiter geändert werden können, hat die faire Analyse des Entwurfs von April 2010 zu folgendem Ergebnis geführt: ACTA ist feindselig gegenüber dem öffentlichen Interesse in mindestens sieben kritischen Bereichen globaler öffentlicher Politik:

  • fundamentale Rechte und Freiheiten;
  • Internetregulierung;
  • Zugang zu Medizin;
  • Ausmaß und Natur von Gesetzen über Geistiges Eigentum;
  • internationaler Handel;
  • internationale Gesetze und Institutionen;
  • und dem demokratischen Prozess.

Die folgenden spezifischen Kommentare basieren auf dem veröffentlichten Text, der stark geklammert ist, und die Ergebnisse sind daher vorläufig.


Fundamentale Rechte und Freiheiten

ACTA würde private und staatliche Maßnahmen autorisieren oder fördern, die:

  • die fundamentalen Rechte und Freiheiten einschränken würden, einschließlich innerstaatliche und international geschützte Menschenrechte bezüglich Gesundheit, Privatsphäre und Datenschutz, freie Meinungsäußerung, Bildung, kulturelle Teilhabe sowie das Recht auf einen gerechten Prozess, einschließlich einer fairen Gerichtsverhandlung und der Unschuldsvermutung.

Das Internet

ACTA würde

  • Internetanbieter (Internet Service Provider) bestärken, die Aktivitäten von Internetbenutzern zu überwachen, indem sie für die Taten ihrer Kunden verantwortlich gemacht werden, sichere Häfen für Überwachungsstrategien geschaffen werden, und indem die Parteien genötigt werden, Kooperationen zwischen Anbietern und Rechteinhabern zu bestärken;
  • diese Überwachung und das Potential für Trennungen als Strafen durch privat Handelnde ohne angemessene gerichtliche Kontrolle oder Prozess bestärken;
  • sowie globale "Anti-Umgehungs-" Maßnahmen, die Innovationen genauso bedrohen wie Wettbewerb, freie (die Freiheit respektierende) Software, Open Access Geschäftsmodelle, Interoperabilität, die Ausübung von Benutzerrechten und die Auswahl durch den Benutzer


Zugang zu Medizin

ACTA würde den globalen Zugang zu bezahlbaren Medikamenten bedrohen, unter anderem durch:

  • die Authorisierung der Zollbehörden, Waren in einem Transitland zu beschlagnahmen, selbst wenn diese keine Gesetze des produzierenden oder importierenden Landes verletzen;
  • Einbeziehung von keinen Gesetzen verletzenden Lieferanten von medizinischen Wirkstoffen, deren Produkte eventuell später in der Produktionskette ohne deren Wissen verwendet werden;
  • Einschränkung von wichtigen Flexibilitäten durch Verfügungen, einschließlich in Patentfällen, die notwendig sind für die Nutzung durch die Regierung, für gerichtlich angeordnete Verfügungen, und für Innovationspreise und andere Politiken, die notwendig sind, um Kosten für Forschung und Entwicklung vom Produktpreis zu entkoppeln.
  • Erweiterung der Reichweite auf Patente in vielen Teilen des Abkommens, was ein unangebrachtes Thema für eine Fälschungspolitik ist;

Reichweite und Natur der Gesetze über das Geistige Eigentum

ACTA würde das fundamentale Gleichgewicht zwischen den Rechten und Interessen von Eigentümern und Nutzern stören, einschließlich durch

  • die Einführung von hochspezifischen Rechten und Rechtsmittel für Rechteinhaber ohne detaillierte dazugehörige Ausnahmen, Einschränkungen und Verfahrenssicherheiten für die Nutzer;
  • die Verschiebung von Ermittlungslasten auf öffentliche Autoritäten und private Vermittler auf ein Art und Weise, die wahrscheinlich stärker an Besitzerangelegenheiten interessiert ist;
  • die Pflicht zu einer formelbasierten Einschätzung von Schäden, die potentiell in keinem Verhältnis zu nachgewiesenen Schäden oder Nutzen stehen;
  • das Weglassen starker Abschreckungen bezüglich des Missbrauchs von Vollzugsprozessen durch Rechteinhaber;
  • Einschließung von strengen Verfügungen, Schäden und erhöhten zivil- und strafrechtlichen Durchsetzungsvorschriften, die die Flexibilität der Regierung einschränken, Innovationen behindern und die Entwicklung und Verbreitung von grünen Technologien verlangsamen;
  • Bedrohung der Fortführung oder Entwicklung von innovativen Ausnahmen im öffentlichen Interesse, wie z.B. common law Ansätze zum Erlauben von Kopien von Werken durch "Autorisierung".

Internationaler Handel

ACTA würde Barrieren für den Handel mit wissensbasierten Gütern erhöhen und dabei unproportional Entwicklungsländern schaden, die abhängig vom Import und Export notwendiger Güter sind.
Spezifisch wird ACTA

  • Durchsuchungen und Beschlagnahmungen an Transitgrenzen "ex officio" [von Amts wegen] auf eine breite Palette "verdächtigter" Verstöße gegen Geistiges Eigentum ausweiten, sogar auf angebliche Patentverstöße, die komplexe Fragen und Fakten des Rechts beinhalten und unmöglich von Zollbehörden beurteilt werden können.

Internationales Recht und internationale Institutionen

ACTA würde mit einer großen Anzahl existierender internationaler Rechte und Prozesse in Konflikt geraten. Insbesondere enthält ACTA Regelungen, die

  • in Konflikt stehen zum WTO-Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum (TRIPS), indem es Beschlagnahmungen auf Grund der Gesetze "des Beteiligten, der die Prozeduren bereitstellt", statt "des Importlandes" (TRIPS Art. 52); und indem es versagt, Schlüsselverteidigungen gegen Missbrauch vollständig zu implementieren und zu schützen (z.B. Artikel 41.1, 48.1, 48.2, 50.3, 53.1, 56), genauso wie die Flexibiltäten zum Schutz des öffentlichen Interesses (z.B. TRIPS Art. 44.2), die Voraussetzungen für die Angemessenheit der Durchsetzungsmaßnahmen (z.B. Art. 46, 47), und die Maßnahmen zum Ausgleich zwischen den Interessen von Rechteinhabern, Konsumenten und der Gesamtgesellschaft (z.B. TRIPS Art. 1, 7, 8, 40, 41.2, 41.5, 54, 55, 58).
  • in Widerspruch zur WTO-Doha-Entwicklungsagenda über TRIPS und öffentliche Gesundheit und der World Health Assembly Resolution 61.21 stehen, indem es die Möglichkeiten der Länder einschränkt, die TRIPS-Freiheiten "in vollen Zügen" für die Förderung des Zugangs zu Medikamenten zu nutzen.
  • die Entwicklungsagenda der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) untergraben, insbesondere das Bekenntnis der 45. Empfehlung der Agenda zum "Ansatz zur Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte im Kontext der breiteren gesellschaftlichen Interessen und vor allem entwicklungsorientierter Belange".
  • die Funktionen der WIPO und der WHO untergraben, indem eine neue und redundante internationale Behörde geschaffen wird.

Demokratischer Prozess

ACTA verändert die traditionellen und verfassungsgemäß geforderten Gesetzgebungsprozesse durch:

  • das Exportieren und Festschreiben von kontroversen und problematischen Durchsetzungspraktiken und die Abschottung künftiger legislativer Verbesserungen in Antwort auf Veränderungen in Technologien und Politik;
  • das Fordern von substantiellen Veränderungen in den Gesetzen vieler Länder ohne gesetzgeberischen Prozess;

Der Prozess der ACTA-Verhandlungen ist fundamental fehlerhaft, besonders da die Verhandlungen:

  • nicht in der Öffentlichkeit durchgeführt wurden, anders als bei vielen multilateralen Verhandlungen;
  • nicht durch Beweise begleitet werden, die zeigen, dass die Probleme der Öffentlichkeit mit der Politik angesprochen werden sollen;
  • sie unter Bedingungen stattgefunden haben, die den öffentlichen Input auf ausgewählte Interessengruppen beschränken und ohne Protokoll und Zugang zu den letzten Versionen des sich schnell ändernden Textes zu geben;
  • weil eine ausgeglichene Vertretung der Interessengruppen, insbesondere aus der bürgerlichen Gesellschaft, fehlt.