AG Sozialere Marktwirtschaft/ParteiprogrammBPT2010

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Programmerweiterungen Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Finanzen zum Bundesparteitag 2010.1. der Piratenpartei

Einführung

Ausgehend vom Kernprogramm der Piraten haben wir uns zunächst mit Patenten beschäftigt, die wirtschaftlich eine enorme Bedeutung haben. Wir - das sind bis zu 40 Piraten und Interessierte, die im Bundesforum in einem geschlossenen Bereich Informationen gepostet, gesichtet und bewertet haben. Jeder Interessierte kann sich dort anmelden, er muss nur die Mitgliedschaft beantragen und wird dann freigeschaltet zum mitlesen und mitdiskutieren. Wir freuen uns über jeden Piraten und Interessierten, der bei unseren Diskussionen teilhaben will.

Sobald wir einen Themenkomplex erarbeitet haben, wurden die Aussagen innerhalb der AG und anschliessend im öffentlichen Bereich sowie auf der Aktivenliste zur Abstimmung gestellt. Gegenargumente wurden geprüft und bei Relevanz mit eingearbeitet. Mit dieser Vorgehensweise haben wir die nachfolgenden Punkte erarbeitet und stellen sie jetzt dem Bundesparteitag zur Abstimmung vor.

Weitere Themengebiete wie Sozialversicherung, Renten, Steuern, Lohnsummensteuer sind bereits in Arbeit aber noch nicht soweit, dass wir sie bereits zur Abstimmung stellen können.


Wirtschaft und Patente

Das Patentrecht muss den Gegebenheiten und Erfordernissen von Erfindungen – den schöpferischen Leistungen der Erfinder – und deren technischen Umsetzung in der Neuzeit angepasst werden. Innovationen sind wichtige Faktoren für die zukünftige Wirtschaftsleistung, den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt und die Wohlstandsmehrung einer Gesellschaft. Einst wurden staatlich garantierte Patentrechte an Erfinder und Patentanmelder im Tausch gegen die Freigabe des Erfinder-Wissens erteilt. Durch die zentrale Dokumentation der Erfindung konnte die interesserte Öffentlichkeit an ihr teilhaben und mit dem Wissen der bekannten Erfindungen den weiteren technischen Fortschritt ausbauen.

Die Zeiten ändern sich jedoch – und mit ihnen auch die Rahmenbedingungen. Die Verfügbarkeit von Kapital, die benötigte Zeit für Entwicklung und weltweite Verbreitung sowie die Kosten der Patente inklusive des juristischen Beistand und der Patentrecherche haben sich verändert. Der Sinn, den staatliche Patentrechte einmal hatten, wird durch die veränderte Wirklichkeit in Frage gestellt.

Die Folgen der patentrechtlichen Wettbewerbseinschränkungen und das monopolistische Alleinnutzungsrecht wirken sich zunehmend störend auf die Innovationsfreude der heutigen Wissensgesellschaft aus und führen zu Marktverzerrungen, welche die Vorteile des Patentrechts mehr als aufheben. Nachhaltige Preisdominanz, die nur wenigen am Markt teilnehmenden Personen zugute kommt, führt nachfolgend zu Verzerrungen in der Vermögensverteilung und auf dem Arbeitsmarkt. Aus einer geringeren Anzahl von konkurrierenden Wettbewerbern erwachsen dann weniger Beschäftigte und sich vergrößernde Lohnunterschiede.

Diese Monopolrechte müssen auf einen Prüfstand kommen und es muss nach sinnvolleren, alternativen Ausgestaltungsmöglichkeiten gesucht werden. Auf diese Weise kann man einen attraktiven Wissenschaft- und Wirtschaftsstandort und damit auch Arbeitsplätze und letztenendes auch Wohlstand schaffen.

Wir wollen das Erfinderrecht dahingehend auszubauen, dass hierdurch sowohl den berechtigten Interessen der schöpferischen Erfinder und der patentanmeldenden Unternehmen als auch der Gesellschaft gleichberechtigt Rechnung getragen wird. Insbesondere zur Förderung der schöpferischen Leistung von Privaterfindern, kleinen und mittleren Unternehmen wollen wir die Regelungen vereinfachen und die im derzeitigen Patentsystem hohen Kosten senken. Wir planen, dieser Gruppe von Innovativen den Zugang zu zinsgünstigen Darlehen für die technische Umsetzung und die Vermarktung über staatliche Förderprogramme zu ermöglichen. Darüber hinaus wollen wir im bestehendem Patentrecht die Vermarktungsregeln von Patentanmeldungen durch die Einführung einer vereinfachten Lizenzierung deutlich verbessern.

Monopole und Infrastruktur

So wenig Monopole wie möglich, aber so viele wie notwendig - das ist unser Ziel. Monopole des Staates werden wenn, dann im Auftrag des Bürgers gehalten oder errichtet. Sie müssen regelmäßig und sorgfältig darauf untersucht werden, ob die daraus resultierenden Vorteile für die Gesellschaft und für das Funktionieren des Wirtschaftskreislaufes überwiegen. Auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Betrieb und Kontrolle der Monopole müssen diesen Erfordernissen entsprechen. Monopole dürfen gesellschaftliche Bedürfnisse wie soziale Kontakte, Kommunikation und den Zugang zu Wissen nicht in einem unvertretbaren Maße behindern und der Funktionsweise der Marktwirtschaft nicht schaden. Außerhalb von Monopolen/Oligopolen sorgt die Marktwirtschaft für eine dezentrale, innovative Struktur bei der Erzeugung von Waren und Dienstleistungen. Wir setzen unser ganzes Können und Wissen daran, den Wohlstand schädigende Monopolsituationen zu entschärfen. Die notwendigen Maßnahmen, wie Auflösung, Beschränkung oder Abmilderung der Monopolsituation wollen wir für jeden Einzelfall sorgfältig unter Einholung und Veröffentlichung von Expertenmeinungen prüfen und durchführen. Besonderes Augenmerk wird hierbei auf künstlich geschaffene Monopole des Urheber- und Patentrechts sowie auf wichtige Elemente der Infrastruktur gelegt. Hiermit werden insbesondere das Schienennetz, der Energiesektor und auch das Telekommunikationsnetz angesprochen. Die Versorgung der Bürger muss sichergestellt sein und die Nutzung durch den Bürger darf nicht durch unangemessen hohe Preise oder Gesetze erschwert werden.

Subventionen, Steuervergünstigungen und Transparenz

Subventionen sind grundsätzlich zu vermeiden. Sie belasten den Steuerzahler und können ein kritisches Element der Marktbeeinflussung sein. Sowohl bei der Einführung als insbesondere auch durch eine darauf folgende Abschaffung von Subventionen können u.U. negative Folgen entstehen, weil sich Betroffene wie auch Märkte darauf einrichten. Daher wollen wir, dass vor der Einführung einer Subvention und auch während der Laufzeit eine sorgfältige Prüfung und Erfolgskontrolle durchgeführt wird. Subventionen sind nach Möglichkeit schon bei der Einführung immer degressiv (abfallend) im Sinne einer Anschubfinanzierung zu gestalten. Ausnahmen können zulässig sein, müssen aber besonders begründet werden. Eine dauerhafte Subvention, für welche keine von vornherein zeitliche Befristung vorgesehen ist, muss eine erhebliche positive Folgewirkung für die Gesellschaft entfalten.

Die Transparenz von Subventionen muss gewährleistet sein. Daher sind direkte Subventionen zu bevorzugen, indirekte wie z.B. Steuervergünstigungen abzulehnen. Die Folgen sind neben einer verbesserten Erfolgskontrolle und Transparenz auch eine Vereinfachung von Steuererklärungen. Wir wollen besonders darauf achten, dass kein Zusammentreffen mehrerer sich gegenseitig beeinflussender Subventionen auf einem Marktsegment stattfindet. Die Zuordnung einer Subvention muss sachgerecht erfolgen und nach außen gut erkennbar sein.

Arbeitsmarkt - Sozialversicherung

Arbeitsleistung erhöht den Wohlstand aller. Daher ist es ein Ziel der Piraten möglichst allen, welche solch eine Leistung gegen Entgelt erbringen wollen, dieses auch zu ermöglichen.

Das Spannungsverhältnis zwischen dem benötigten Kapital in den Sozialversicherungszweigen und den Lohnkosten wird weiter zunehmen insbesondere bei den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen. Die Frage der Finanzierung der sozialen Absicherung darf daher nicht zu einem Instrument für das Durchsetzen von Klientel-Interessen werden, sondern bedarf einer vorausschauenden und zukunftssicheren Planung. In diesem Zusammenhang muss ein Umbau zu einer verstärkten Steuerfinanzierung stattfinden. Dies hat unter anderem den Vorteil, das alle Einkommen und Einkommensarten berücksichtigt werden können und zudem Beitragsbemessungsgrenzen eine untergeordnete Rolle spielen. Sozialpolitik und Wirtschaftspolitik dürfen und können hier kein Widerspruch in sich sein sondern sind ergänzende Faktoren - Sozialpolitik ist auch Wirtschaftspolitik.

fördern und ermöglichen

Bildung, insbesondere die Ausbildung der Bevölkerung ist als ein vorrangiges Ziel der Gesellschaft zu sehen aus welchem der Einzelne wie auch die Volkswirtschaft einen großen Nutzen ziehen. Gerade die Erstausbildung aber auch Weiterbildungen sind wie eine Arbeitsstelle zu werten und sollen auch zum Zwecke der Chancengleichheit jedem nach Möglichkeiten gewährt werden. Hierbei wird Selbstbeteiligung in Form von Zeit oder im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten erwartet. Bei staatlich finanzierten oder organisierten Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen muss die Qualität der Maßnahmen vor der Quantität stehen.

Zentralbank-Politik und Europäische Zentralbank (EZB)

Der Auftrag der Europäischen Zentralbank (EZB) soll aus folgenden drei Aufgaben bestehen:

- Sicherung einer wertstabilen, gemeinsamen, europäischen Währung.

- Die Politik der EZB darf nicht zu einer Bevorzugung einzelner Wirtschaftsakteure führen.

- Einsatz von effizienten Maßnahmen, um Krisen zu verhindern und Marktversagen zu beseitigen.

Die Sicherung soll als zentrale Aufgabe definiert sein. Die EZB-Politik der Gleichbehandlung bildet die Rahmenbedingung zu deren Erfüllung und Ermächtigung zu erweiterten Eingriffen die EZB in ökonomischen Ausnahmefällen für korrigierenden Maßnahmen erhalten soll.


Der Erhalt einer gemeinsamen europäische Währung ist ein wesentliches Ziel der Piraten, sowohl aufgrund seiner wirtschaftlichen Bedeutung für die Weiterentwicklung des europäischen Binnenmarktes, als auch aufgrund seiner Bedeutung für die weitere Verfestigung der Integration Europas. Erst Geld als liquidester Vermögensgegenstand ermöglicht effektives wirtschaften. Nur wenn Geld gleichzeitig zur Transaktion, zur Planung und Absicherung verwendet werden kann, ist es für Bürger ein akzeptables Zahlungmittel. Desweiteren spielen Devisen in volkswirtschaftlichen Ausgleichsprozessen eine wichtige Rolle und verhindern so starke Konjunkturschwankungen. Geldwertstabilität ist zur Erfüllung dieser Funktionen eine unerlässliche Voraussetzung und gibt darüber hinaus Unternehmen, Privatpersonen und Staaten (im Euroraum) einen stabilen, mittel- und langfristig verläßlichen, Planungsrahmen. Marktversagen stellt eine fundamentale Bedrohung des Funktionierens der Wirtschaft, und somit der Wohlfahrt der Bürger dar und ist deshalb als einzige Ausnahme zu sehen, bei der die Zentralbank selbst wirtschaftspolitisch aktiv wird. Darüber hinaus ist aufgrund der Verflechtung der Finanzwirtschaft ein Versagen der Märkte auf rein nationaler Ebene auszuschließen.


Geldpolitik darf nicht das einzige Instrument staatlicher Wirtschaftspolitik sein. Aufgrund der Lösung der Währung aus dem nationalen Rahmen innerhalb des Euroraumes ist eine klare Aufgabentrennung von Zentralbank und Regierungen notwendig. Ohne eine realistische Geldpolitik können weder auf dem Geldmarkt, dem Finanzmarkt noch in der Politik die richtigen Entscheidungen getroffen werden.

Die oben genannten Ziele sollen durch folgenden institutionellen Rahmen erreicht werden: 1.Möglichst weitgehende Unabhängigkeit der Zentralbank in ihrem Tagesgeschäft. Dies wird erreicht durch eine Beschränkung der politischen Aufsicht auf die Prüfung der Auftragserfüllung und strikte personelle Trennung von Regierungen und Zentralbank 2.Strikte Beschränkung des Auftrages der Zentralbank auf die o.a. erstgenannten Punkte. Dieser Auftrag ist politisch vorgegeben und kann von der Zentralbank nicht eigenmächtig geändert werden.

Begründung: Historische Erfahrung zeigt, dass Regierungen langfristig negative Folgen der Geldpolitik zur Erreichung kurzfristiger Ziele in Kauf nehmen. Eine solche Bevorzugung kurzfristiger vor langfristiger Folgen liegt auch in der Logik der repräsentativen Demokratie mit regelmäßigen Wahlen. Da ein solches politisches System als gegebener institutioneller Rahmen angenommen wird, gilt es negativen Aspekten desselben möglichst entgegen zu wirken um die z.T. verheerenden Folgen kurzfristig orientierter Maßnahmen zu vermeiden.

Aus der Unabhängigkeit der Zentralbank folgt notwendig einerseits eine strikte Beschränkung ihres Auftrages, da die Zentralbank nicht zur demokratisch nur sehr beschränkt kontrollierten eigenständigen Wirtschaftsregierung mutieren darf. Andererseits erfordert eine Beschränkung der politischen Aufsicht auf die Aufgabenerfüllung auch eine klar definierte und qualifizierbare Aufgabenstellung. Aufgrund sehr unterschiedlicher nationaler ökonomischer Interessen innerhalb des Euro-Währungsraumes ist eine über die Kontrolle der Währung hinausgehender Auftrag der Zentralbank auch in der Praxis schwer umsetzbar. Dies birgt das Risiko einer Destabilisierung der Währungsgemeinschaft in sich.

Details zum Auftrag:

  • 1.Geldwertstabilität wird als erreicht angesehen, wenn mittelfristig die Inflation auf bis zu 3% beschränkt wird. Dieser Wert ist als Zielwert über mehrere Jahre gemittelt gesetzt. Eine Schwankungsbreite von 0% - 5% Jahresinflation wird hierbei als akzeptabel angesehen.
  • 2.Der EZB sollen neben der Zinshoheit alternative Werkzeuge zur Verfügung gestellt werden, welche zur Erreichung ihres Auftrages eingesetzt werden können. Diese schließen die Möglichkeit zur Festlegung von Mindestreserven von Finanzinstitutionen, der Risikovorsorge für unterschiedliche Finanzgeschäfte und Festlegung des Typs akzeptabler Sicherheiten ein. Insbesondere die Mindestreserve ist aus unserer Sicht über die Höhe und ggfs. auch über eine flexible Ausgestaltung ein vielversprechendes Mittel von welchem derzeit nur unzureichend Gebrauch gemacht wird.
  • 3.Die Zentralbank hält die für einen langfristig reibungslosen internationalen Handel notwendigen Devisenreserven und sichert durch Führung von Devisengeschäften u.a. den Außenwert der gemeinsamen Währung.
  • 4.Die Einschränkung der Auftrages der Zentralbank auf Währungs- und Devisenkontrolle betrifft nicht nur die Ziele der Zentralbank, sondern auch ihre Einflußnahme: die Zentralbank hat Neutralität zu wahren in Fragen der Lohnentwicklung, Steuern und weiteren Mechanismen.
  • 5.Die EZB setzt geeignete Mittel der Marktbeobachtung sowie der allgemeinen Bankenaufsicht zur Erhebung von Realwirtschaft- und Finanzmarktdaten ein. Die Analyse der Marktdaten dient der Justierung der EZB-Instrumente mit dem Ziel, einen funktionierenden Wirtschaftskreislauf zu ermöglichen. Bei ermittelten Störgrößen für den Wirtschaftskreislauf sind in Abstimmung mit den Euroländern geeignete Maßnahmen zu ergreifen.
  • 6.Die Zentralbank kann durch zeitlich begrenzte Bereitstellung von Liquidität Marktversagen bekämpfen. Als Hüterin einer Währung in einem gemeinsamen europäischen Währungsraumes ist es dabei nicht ihre Aufgabe, ruinierte nationale Staatshaushalte zu sanieren. Sie kann jedoch die Aufsicht über zu entwickelnde Mechanismen zur gemeinsamen Unterstützung im Falle einzelstaatlicher Haushaltskrisen, z.B. eines Europäischen Währungsfonds, übernehmen.



Es ist Aufgabe der Regierungen, innerhalb des so gesteckten Rahmens dafür zu sorgen, dass der soziale Ausgleich innerhalb der Gesellschaft stattfindet . Einkommensverteilung folgt in erster Linie aus den Verhandlungen der Sozialpartner sowie Maßnahmen der Regierungen wie Abgaben und Sozialleistungen. Diese liegen klar außerhalb des Einflusses der Zentralbank und können mithin nicht Teil ihres Auftrages sein. Durch Erfüllung ihres Auftrages stellt die Zentralbank vielmehr sowohl den Sozialpartnern, als auch den nationalen Regierungen, einen stabilen und verläßlichen Rahmen zur Verfügung, innerhalb dessen Fragen der Einkommens- und Vermögensverteilung auf nationaler Ebene beantwortet werden müssen. Auch ist es Aufgabe der politischen Institutionen der EU als Wirtschaftsgemeinschaft, für einen Ausgleich in den nationalen Entwicklungen über Förderprogramme, Finanzhilfen u.ä. zu sorgen. Schließlich bleiben den Regierungen die Aufgabe der wirtschaftlichen Steuerung auf nationaler und europäischer Ebene über verschiedenste Instrumente, wie Steuern, staatliche Investitionen, Investitionsförderungen, etc.. Diese Instrumente liegen alle außerhalb des Einflusses der Zentralbank, mithin kann ihr Einsatz und ihre Wirkung nicht Teil des EZB-Auftrages sein.