Benutzer:Enigma/LMVKandidatur Klarstellung
Dieser Text richtet sich speziell an Berliner Piraten, darf aber natürlich gerne auch von anderen gelesen werden.
Ahoi Piraten,
Nachdem das allseitige, sicherlich verdiente Lob an der letzten Berliner Mitgliederversammlung nun etwas verklungen ist und auch die anderen Skandale bald ausreichend an Fahrt verloren haben, würde ich gerne noch ein paar Gedanken loswerden, die mit der Fragerunde zu meiner Schiedsgerichtskandidatur am vergangenen Sonntag zusammen hängen. Hintergrund ist eine aus meiner Sicht sehr anklagende Frage, die dort gestellt wurde, und von der ich nicht möchte, dass sie – in Anbetracht der Tatsache, dass eine LMV nur bedingt Raum für Richtigstellungen bietet - so im Raum stehen bleibt.
Zum Ablauf
Am 28.2 wurde auf dem Berliner Landesparteitag unter anderem ein neues Schiedsgericht gewählt. Im Rahmen meiner Kandidatur wurde mir von einem Crew-Mitglied die direkte Frage gestellt, ob es richtig sei, dass ich mich bei anderen Parteien (Die Grünen/FDP) als Pressesprecher beworben hätte. Ich habe sie in aller Kürze bejaht, dann noch einige Sätze hinzugefügt, wonach danach ein Raunen durch den Saal ging, es folgten zahlreiche Twitternachrichten (was ich nachher las) und bei der Wahl schnitt ich von allen Kandidaten am schlechtesten ab. Dass die Frage eine Rolle spielte, ist keine reine Mutmaßung, da mir im Laufe des Parteitages Piraten explizit sagten, dass die Frage sie dazu bewogen hätte, mir ihre Stimme zu verweigern.
Vertrauensfrage
Ich würde diesen Text nicht schreiben, wenn ich nicht das Gefühl hätte, dass es hier um etwas Grundsätzliches geht. Ich bin mittlerweile seit Mai 2009 im Berliner LV aktiv und habe hier von Anfang an verschiedenste Aufgaben wahrgenommen. Obwohl ich mittlerweile viele Piraten persönlich kenne und auch schon mehrere Crews vor Ort getroffen habe, kennen mich sicherlich viele Piraten nur über die Mailingliste oder erst seit der LMV – der ersten, die wir in Berlin seit der großen Mitgliederschwemme im Juli 2009 abgehalten haben. Ich fände es sehr schade, wenn das, was einige Berliner Piraten fürs Erste von mir in Erinnerung behalten, die Situation vom Sonntag in unkommentierter Form sein sollte.
Das Problem bei der Frage...
… ist im Grunde schon einmal, dass man kaum positiv mit ihr umgehen kann. So wie sie gestellt wurde, impliziert sie bereits eine Art Schuld, die ich nicht für angebracht halte. (Mehr dazu unten.) So hätte ich zwar korrekterweise mit Nein antworten können, da ich mich bei den Grünen nicht als Pressesprecher, sondern als Mitarbeiter in der vierköpfigen Pressestelle beworben habe. Aber das kurze „Nein“ hätte für mich zu sehr den Charakter von Unehrlichkeit gehabt, das lange „Nein, weil...“ wäre wohl kaum förderlich gewesen. Zudem zielt die Frage ganz klar in den Bereich Privatsphäre. Da ich von Bewerbungen nur wenigen gut bekannten Piraten erzähle, will ich eigentlich nicht damit rechnen müssen, dass sie eine Rolle auf einer LMV spielen. Aber das nur am Rande.
Eine gewisse Skandalisierung ...
… lässt sich nicht nur an der Fragestellung, sondern auch an manchen Reaktionen ablesen. Auf Twitter hieß es zum Beispiel „Fabio Reinhardt gibt gerade zu, dass“, welches bereits ein Schuldeingeständnis impliziert (Christopher hat mittlerweile gesagt, dass die Formulierung bewusst ironisch formuliert war. Das war für mich so nicht erkennbar. 18.10.2011); oder auch „Skandal!!! [...]“ (Tweet wurde von Twitgeridoo später mit dieser Begründung wieder gelöscht). Grundsätzlich wäre es jedenfalls fairer gewesen, die neutrale Frage „Hast du dich schon einmal bei anderen Parteien um einen Job beworben“ zu stellen.
Arbeiten bei anderen Parteien ?
Denn worum es eigentlich geht, ist doch die folgende zentrale Frage: „Ist es prinzipiell in Ordnung oder sogar förderlich, dass Piraten für andere Parteien arbeiten?“ Für mich kann ich diese Frage mit einem deutlichen „Ja“ beantworten. Ich stehe seit Beginn meiner politischen Aktivität in regem Kontakt zu anderen politischen Gruppen und finde das sehr wichtig, sowohl für die eigene Arbeit als auch um nicht zu sehr den Blick über den Tellerrand zu verlieren. Dabei bin ich mir natürlich darüber im Klaren, dass es Ausnahmen geben kann – zum Beispiel als Mitarbeiter der Pressestelle einer anderen Partei wäre es wohl schwierig, für ein Vorstandsamt bei den Piraten zu kandidieren. Ganz einfach, weil es kaum vertretbar wäre, tagsüber für andere Partei Statements abzugeben und abends für eine andere. Abgesehen von solchen Ausnahmen sollte eine Arbeitsstelle und Aktivität bei jedweder anderen Organisation sich daran ausrichten, ob die generelle Zielrichtung mit der unseren ausreichend übereinstimmt. Dies halte ich bei den Grünen für ausreichend gegeben, weswegen ich den Job vermutlich auch angenommen hätte. (Für die FDP gilt das wohl nur eingeschränkt.) Wohlgemerkt ging es bei mir nur um den Bereich Lohnarbeit. Unsere Bundessatzung geht dabei sogar noch einen deutlichen Schritt weiter. Sie sagt sogar:
§ 2 (3) „Die gleichzeitige Mitgliedschaft in der Piratenpartei Deutschland und bei einer anderen (mit ihr im Wettbewerb stehenden) Partei oder Wählergruppe ist nicht ausgeschlossen. Die Mitgliedschaft in einer Organisation oder Vereinigung, deren Zielsetzung den Zielen der Piratenpartei Deutschland widerspricht, ist nicht zulässig.“
Die Intention ist klar. Da wir (noch) kein komplettes Parteiprogramm haben, lassen wir Doppelmitgliedschaften zu und wollen ja sogar, dass unsere Themen stärker in andere politische Gruppen getragen werden. Angesichts dieser deutlichen Vernetzungsidee könnte ein böswilliger Zeitgenosse manchen Kommentatoren fast eine Art Doppelmoral oder Satzungsunkenntnis unterstellen. So weit würde ich natürlich nicht gehen. Was ich aber wirklich schade fände, wäre, wenn sich nun vielleicht anhand des Beispiels vom letzten Wochenende andere Piraten scheuen, eventuelle persönliche Chancen zu nutzen. Es wäre also quasi schade, wenn – vielleicht ganz unbeabsichtigt – ein negatives Exempel statuiert wurde.
Im Gegenteil würde ich sogar deutlich dafür plädieren, dass intensivere Vernetzung stärker gefördert wird. Es macht durchaus Sinn, dass junge Piraten bei anderen Parteien Praktika im Abgeordnetenbüro oder, wenn sie sich für Pressearbeit interessieren, in der Pressestelle machen. Wer Angst hat, dass dies zu Mitgliederschwund führt, hat vielleicht nicht genug Vertrauen in unsere Sache. Ich denke nicht, dass wir Piraten uns vor Kontakten dieser Art scheuen müssen.
Nebenbei gesagt könnte es auch nicht schaden, sich mal stärker mit der Frage zu beschäftigen, welche Organisationen wir nun als piratennah oder zumindest tolerabel empfinden. Nicht jeder wird als Experte für die deutsche NGO- und Parteienlandschaft geboren. Und ich denke, auch da ist noch viel Spielraum für Missverständnisse und Probleme. Vielleicht wäre es sinnvoll, sich darüber Gedanken zu machen. Andere Organisationen wie der CCC haben sich da auch schon Richtlinien (zum Beispiel diese) überlegt.
1 Fazit und 2 Einladungen
So, nachdem ich nun für diesen Text schon Zeit geopfert habe, die man piratisch auch viel sinnvoller hätte verwenden können (wie den NRW-Wahlkampf oder eine schöne Liquid Feedback-Initiative), möchte ich nun zumindest noch ein kurzes persönliches Fazit schreiben. Ich möchte ungern falsch verstanden werden: Ich finde die LMV einen großen Erfolg, bin mit Vorstand, Kassenprüfern UND Schiedsgericht rundum zufrieden und gräme mich auch nicht, in Letzteres nicht hinein gewählt worden zu sein. Kandidiert habe ich, weil kurz vor der Wahl noch nicht Personen zur Wahl standen. Für mich persönlich bleibt auf jeden Fall ein lehrreiches Fazit, sich bei jeder Bewerbung ausreichend vorzubereiten, egal wie wichtig einem das anvisierte Amt ist.
Die an mich gestellte Frage bietet aber auch für mich persönlich ein umfangreiches Negativ-Potential, weswegen ich nur jeden Berliner Piraten, der sich davon hat beeinflussen lassen, einladen kann, mich einmal persönlich kennen zu lernen oder eventuelle, offene Fragen direkt an mich zu richten. Im Gegenzug möchte ich auch jeden einladen, mir die immer noch leidlich beantwortete Frage zu beantworten, was an dieser Bewerbung – zu einem Zeitpunkt, wo ich keinerlei Amt innehatte – nun eigentlich genau schlimm gewesen sein soll, und inwiefern es die Piratenpartei voran bringt, wenn man bei aktiven Mitgliedern in ihrem Privatbereich schaut, wie da vielleicht Verbindungen zu anderen politischen (in diesem Fall meiner Ansicht nach sogar leidlich piratennahen) Gruppen sind. Für diese Diskussion darf diese Seite auch gerne genutzt werden.
Diskussion?
Meine ganz persönliche Vermutung darüber ist das der Herr der sich hinter dem Twitteraccount Schmidlepp verschanzt ganz profan seine Berliner BVV Listenplatzkandidatur vorbereitet indem er echte Konkurrenten diskreditiert oder deren Integrität vor großem Publikum grundsätzlich anzweifelt(nach dem Motto man muß nur genug Dreck werfen dann bleibt auch etwas hängen).Wo man aktuell seine Brötchen verdienen will geht die Partei im grunde gar nichts an da man derzeit nur ehrenamtliche Posten ohne Bezahlung innerhalb der Partei besetzen kann.Das einzige Kriterium was beachtet werden müsste wäre das man auch noch ausreichend Zeit übrig hat das angestrebte Parteiamt vernünftig zu bekleiden.-- Deuterium 08:55, 6. Mär. 2010 (CET)
- Ich denke wir können über jeden qualifizierten Kandidaten für Abgeordnetenhaus & BVVs glücklich sein. Die Listen für die BVVs werden voraussichtlich nicht alle voll. Daher können wir bei den nächsten Wahlen auch durchaus etwas milder sein. Während es bei der Bundesvorstandswahl 2009 noch wesentlich wichtiger gewesen wäre, kritisch nachzuhaken, kennen wir uns in Berlin mittlerweile alle etwas besser und haben schon zahlreiche qualifizierte Leute für die zu vergebenen Posten und sind weniger darauf angewiesen, Kandidaten "abzuschießen". Ich denke, etwas positivere Herangehensweise an die anderen Mitglieder wäre angebracht.
Den Begrifff "verschanzen" finde ich zudem irreführend, da der Account mit Klarnamen versehen ist. --Enigma 00:56, 7. Mär. 2010 (CET)
- Das denke ich auch und weil Schmidlepp wohl bekannt und in meiner Crew ist: Deuterium, das stimmt so nicht. Das ist zu negativ gedacht. Dich habe ich ja nun auch bei Deiner Vorstellung im Breipott und auf der LMV kennen und schätzen gelernt. Für Deine klaren Aussagen, die einen erfrischend anderen Blick auf die Partei werfen. Manchmal möchte ich gern vermitteln. Werde mich vielleicht demnächst dann auch mal als Schiedsrichter bewerben. Ansonsten danke ich Fabio für seine sehr offene und sympathische Art der Kommunikation.meta 00:24, 7.03.2010 (CET)
Ich verstehe auch das Problem nicht ganz. Man müsste dann ja konsequent sein und Menschen nicht wählen, die bei "Piratenfeinden" arbeiten, wie zB der Telekom, weil sie die Vorratsdatenspeicherung mitgemacht hat, oder Pharmaunternehmen oder google, weil sie zensieren, oder oder oder ....wobei es ja auch eher ein Problem für die Bewerbung ist NICHT grün oder gelb zu sein...die Grünen sind wohl noch toleranter aber ist ja auch egal.... o.0 Schade, dass so ein Stellungnahme notwendig ist ... aber die Piraten sind auch nur Menschen, wah? ;-) Julia 11:53, 6. Mär. 2010 (CET)
- Ja, das mit den guten und bösen Jobs finde ich eine ganz interessante Frage, die ich in der vergangenen Woche auch diskutiert habe. Bei den Kandidatenwahlen NRW im November war ich etwas überrascht. Denn sehr viele aktive Piraten scheinen Freiberufler, Software-Entwickler usw. zu sein. Da hätte ich vermutet, dass diese Berufsgruppen besonders gut abschneiden, während in anderen Parteien stärker vertretene Berufe wie Lehrer und Anwälte einen tendenziellen Malus haben. Stattdessen sind nun 2 der Top10-Kandidaten Rechtsanwälte und die Vorsitzende ist Lehrerin. (Nichts gegen euch, @Teiler und @Rya) Das legt zumindest die Vermutung nahe, dass bei den jeweiligen Wahlen auch eine Rolle gespielt hat, möglichst Piraten mit präsentablen Berufen zu wählen (was ja auch an sich nicht schlimm ist). Aber das nur am Rande. Falls es eine Diskussion darüber geben sollte, welche Gruppen nun eigentlich von den Piraten für gut befunden werden - ich würde mir allerdings nicht anmaßen, diese selbst zu starten, da ich mich dafür in der politischen Landschaft noch nicht gut genug auskenne - um die wir voraussichtlich auf lange Sicht nicht umhin kommen werden, dann wäre es zumindest konsequent die Frage mit den "Piratenfeind"-Berufen dort ergebnisoffen mit hinein zu nehmen. Dies ließe sich zumindest in Form einer Tendenz oder inoffiziellen Empfehlung diskutieren, da man natürlich nicht bestimmten Berufsgruppen per Satzung den Weg zum Vorstandsamt verbieten kann. (Allerdings ist z.B. in der Humanistischen Union der Beruf Innenminister fast immer schon ein Grund für ein Ausschlussverfahren ;-) --Enigma 00:56, 7. Mär. 2010 (CET)