Archiv:2009/Webredaktion/Statischer Content/Transparenz/Volksentscheide
Redakteur: MrKohlenstoff, Artikel war ursprünglich eine Anfrage von extern
"Demokratie ist die Wahl durch die beschränkte Mehrheit anstelle der Ernennung durch die bestechliche Minderheit." - George Bernard Shaw
Was für die Wahl einer Regierung gilt, gilt ebenso für die Abstimmung über Gesetze durch Volksentscheide. Und während Winston Churchill noch zynisch erklärte, die Demokratie sei die schlechteste aller Staatsformen, "ausgenommen alle anderen", kann man von Volksentscheiden prinzipiell das gleiche behaupten. Sie sind nicht optimal, doch sinnvolle Alternativen existieren höchstens in der Theorie.
Genau aus diesem Grund setzt sich auch die Piratenpartei für mehr direkte Elemente unserer Demokratie ein. Eines der vielen Probleme einer repräsentativen Regierung ist die Tatsache, dass Lobbyismus und Korruption einen ernstzunehmenden politischen Einfluss ausüben. Erstaunlicherweise ist auch die Umsetzung beliebiger Gesetze offensichtlich für repräsentative Regierungen kaum problematisch, denn leider gilt, dass Rhetorik heutzutage einen höheren Stellenwert in unserer Politik hat, als etwa die Wirksamkeit von Gesetzen. Tritt ein Politiker, eine Partei oder womöglich die gesamte Regierung nur selbstbewusst und überzeugend genug auf, kann er bzw. sie ein Volk selbst dazu bewegen seine eigene Entmachtung zu bejubeln.
Natürlich bestehen zwischen der repräsentativen Demokratie, wie sie derzeit in Deutschland existiert, und einer direkten Demokratie, an die man sich durch die Einführung von Volksentscheiden annähern würde, nennenswerte Unterschiede. Auch wäre die Einführung derartiger Abstimmungen mit einem nicht zu vernachlässigenden Aufwand verbunden. Was bleibt dem deutschen Volk also an Alternativen der politischen Partizipation? Tatsächlich gibt es einige Möglichkeiten, auch außerhalb der Wahlen politischen Einfluss zu üben. Eine Möglichkeit ist etwa die Nutzung der "vierten Gewalt", den Medien: Gerade das Internet ermöglicht politische Meinungsäußerung, die theoretisch von jedem Bürger nachvollzogen werden kann. Praktisch macht es aber keinen besonders großen Unterschied, welche Stimmung in Online-Foren oder Chatrooms herrscht. Eine bessere Variante sind da vielleicht Leserbriefe an Zeitungen mit breitem Leserspektrum, in denen man sich zu bestimmten politischen Gegebenheiten kurz und fundiert äußert. Problematisch ist allerdings, dass der Veröffentlichung derartiger Leserbriefe kein demokratischer bzw. freier Prozess zu Grunde liegt, weswegen auch diese Methode mit Vorsicht zu genießen ist. In letzter Zeit ist jedoch eine andere Art der politischen Meinungsäußerung verstärkt an die Öffentlichkeit gedrungen: Petitionen. Bekannt wurde hier vor allem die e-Petition gegen das Zugangserschwerungsgesetz, bei der sich über 134.000 Menschen beteiligten. Gerade diese Petition zeigte jedoch gleichzeitig eindrucksvoll, wie gering der tatsächliche Einfluss auf die Gesetzgebung ist. Die wenigsten Anliegen der Petition wurden gewissenhaft umgesetzt, es schien sich alles in allem um Alibi-Änderungen zu handeln. So stellen Petitionen - genügend Mitzeichner vorausgesetzt - zwar als sinnvolle Maßnahme heraus, wenn man es darauf anlegt in den medialen Fokus zu geraten. Ist man jedoch um politische Partizipation bemüht, kommt man nicht sehr weit.
Die Alternative wären nun also Volksentscheide: Nicht die Regierung stimmt über Gesetzesentwürfe ab, sondern das (wahlberechtigte) Volk. Es ist also nicht wie jetzt zur Reaktion verpflichtet sondern kann aktiv an der Gesetzgebung teilnehmen. Stellt man sich nun die Frage, ob ein praktischer Unterschied zur jetzigen repräsentativen Demokratie besteht, wird man zunächst einmal feststellen: Das Problem der Macht der Rhetorik ist keineswegs gelöst - Immernoch wird es der Regierung ein Leichtes sein, das Volk für jeden beliebigen Gesetzesentwurf zu gewinnen, Lobbyismus und Korruption sind weiterhin problematisch. Aber nicht zu vernachlässigen sind die Tatsachen, dass erstens das Volk zum jetzigen Zeitpunkt nur alle vier Jahre direkt Einfluss nehmen kann und somit auch Gesetze, die dem Wille des Volkes widersprechen wenigstens temporär umgesetzt werden können. Und zweitens, dass politischer Aktionismus häufig wesentlicher Bestandteil des Wahlkampfs ist. Beide Dinge würden durch Volksentscheide beseitigt oder wenigstens eingeschränkt. Die Piratenpartei strebt hier also eine Verbesserung unserer demokratischen Situation an. Auch wenn das Prinzip der Repräsentation sicher nicht vollständig abgeschafft werden soll, setzen wir uns doch dafür ein, die Distanz zwischen Volk und Gesetzgebung zu reduzieren und so dafür zu sorgen, dass in Deutschland wieder tatsächliche Demokratie an die Stelle des Lobbyismus rückt.