BW:Arbeitsgruppen/Landespolitik/Bildung/Werksrealschulen falscher Schritt
Werkrealschulkonzept ausweiten
Dieser Text wurde auf einem Landesparteitag abgelehnt (u.U. zugunsten einer alternativen Variante) und wird voraussichtlicht nicht wieder abgestimmt.
Wir unterstützen die Bestrebungen zur flächendeckenden Einführung von Werkrealschulen in Baden-Württemberg.
Die Integration vorhandener Infrastruktur von Hauptschulen zu einem "erweiterten Werkrealschulangebot" hat dabei Priorität vor dem Neubau zentraler Schulzentren, um Schließungen von dezentral gelegenen Hauptschulen zu vermeiden und das "ländliche Schulangebot" zu sichern.
Eine Unterstützung durch Handel, Wirtschaft und lokale Organisationen wird dabei ausdrücklich gewünscht.
Kurzfassung
Vorgeschlagen wird, Werkrealschulen in Baden-Württemberg flächendeckend einzuführen- was im Ansatz mit den Werkschulen des alten Typs bereits begonnen wurde. Die Etablierung von Werkrealschulen darf nicht, wie es gegenwärtig in der aktuellen Landes- und Kommunalpolitik geschieht, auf Kosten der Existenz bestehender Institutionen geschehen. Derzeit werden Hauptschulen mit wenigen Klassen, besonders im ländlichen Bereich zugunsten von Werkrealschulzentren geschlossen.
Es muss unter Beibehaltung der Infrastruktur und einem Schulverbundsystem jedem Schüler in Baden-Württemberg ermöglicht werden am erweiterten Ausbildungsangebot von Werkrealschulen teilzunehmen.
Aus der Perspektive der Piratenpartei ist diese Einführung in besonderer Weise relevant, insofern sie einem bildungspolitischen Denken und individueller Förderung verbunden ist.
Gerade das bildungspolitische "Sorgenkind" der letzten Jahre - die Hauptschule- bedarf eines Überdenkens, zugunsten der Fördermöglichkeiten der Schüler. Durch den Praxisbezug einer Werkrealschule, ist eine leichtere Orientierung der Schüler im Lebensumfeld zu erwarten.
Bearbeiter
Vorschlag
Begründung
Die Einführung von Werkrealschulen des neuen Typs in Baden-Württemberg zum Schuljahr 2010/11 ist ein extrem wahlkampfrelevantes Thema, insofern sich hier nicht nur die Landtagsopposition von SPD und Grünen einig ist in der Ablehnung, sondern sich auch innerhalb der CDU an der Basis massiver Widerstand regt, gerade im ländlichen Raum, der unmittelbar durch diese Einführung von Schulschließungen oder doch zumindest erheblichem Substanzverlust von Schulen bedroht ist.
Aus der Perspektive der Piratenpartei ist diese Einführung in besonderer Weise relevant, insofern sie einem bildungspolitischen Denken verbunden ist. Derzeit werden wohnortferne große Bildungszentren mit entsprechendem Verwaltungsaufwand gegenüber flexiblen, intelligent vernetzten kleineren Einheiten eingeführt(was allerdings im Prinzip auch in großen Komplexen realisiert werden kann), was zum regionalen Abbau der Hauptschulinfrastruktur und somit zu einer Zentralisierung des Bildungsangebotes führt. Diesr Strömung muss durch die Integration von bestehenden Hauptschulen in das Werkrealschulmodell entgegengewirkt werden, um jedem Schüler den freien Zugang zu einem erweiterten Schulabschluss zu ermöglichen.
Unabhängig davon, ob ein Schüler eher praktisch oder theoretisch begabt ist, werden durch die neuen Wahlpflichtmöglichkeiten ab Klasse 8 (die für den Haupt- und WRS-Bereich bis Ende Klasse 9 identisch sind) seine Begabungen und Interessen individueller gefördert. Eine Kooperation mit den Berufsfachschulen ab dem 2. Halbjahr der 9. Klasse ermöglicht auch nach Abschluss von Klasse 9 (HSA) den Bildungsweg hürdenlos in den Werkrealschulabschluss und sogar direkt in die Ausbildung oder den Übergang auf das Fachgymnasium anzutreten.
Wir fordern den intelligent vernetzten Zusammenschluss kleineren Schuleinheiten (incl. bestehender Hauptschulen) zu gemeinsamen Einheiten eines Werkrealschulsystems, auch über zentrale Werkrealschulzentren hinaus.
Das erfordert eine Unterstützung der Hauptschulen in Angeboten zum Kurssystem, wie es durch die Wahlpflichtmöglichkeiten an der Werkrealschule vorgesehen ist, sowie ein "Werk-Angebot" das praktisches Lernen durch Technikfächer oder die Unterstützung des lokalen Handels und der Wirtschaft auch in kleinen Regionen ermöglicht.
So werden die heutigen ländlichen Hauptschulen durch eine Klasse 10 erweitert und regional durch Industrie und Handel unterstützt, was den Schülern bereits vor ihrem Schulabschluss die Möglichkeit gibt, sich in verschiedenen Berufsfeldern und der Arbeitsumgebung zu orientieren und so eine ihren Neigungen entsprechende Ausbildung anzustreben.
Diskussion
Zum Schuljahr 2010/11 wird in Baden-Württemberg flächendeckend die Werkrealschule als Alternative zur und mittelfristig Ersatz der Hauptschule eingeführt. Den Hauptschulabschluss gibt es auch an den Werkrealschulen, und es wird auch - vorläufig - weiterhin reine Hauptschulen geben. Die Richtung stimmt, insofern das Ausbildungsangebot an der Werkrealschule - zumindest in der Theorie - besser ist und die Schulkarriere zur Mittleren Reife hin offener. Allerdings kann nun nicht jede Hauptschule zur Werkrealschule werden, sondern nur Hauptschulen mit mindestens zwei Klassen pro Jahrgangsstufe. Mit den Übergangsempfehlungen, die nicht mehr zwischen Werkrealschule und Realschule unterscheiden, hat die Landesregierung bewirkt, dass nun viele Eltern ihre Kinder gleich zur Realschule anmelden, in Hauptschulen Klassenräume leerstehen und in Realschulen Unterrichtscontainer aufgestellt werden müssen. - Hartmut
Kritik
Der Schritt ist halbherzig und im Effekt kritikwürdig, da nicht jede Hauptschule zur Werkrealschule werden kann, sondern nur Hauptschulen mit mindestens zwei Klassen pro Jahrgangsstufe. Theoretisch gibt es zwar das Modell, dass zwei Schulen gemeinsam eine Werkrealschule bilden - doch mit eindeutiger Unterordnung einer der beiden Schulen.
Die Attraktivität der (verbleibenden) Hauptschulen wird weiter reduziert, schon alleine wegen des wohlklingenden Namens "Werkrealschule" für die Alternative. Und konkret auch, da der Besuch einer Werkrealschule den Weg zur Mittleren Reife einfacher macht - der Besuch einer Hauptschule erfordert einen Schulwechsel, um dann zur Mittleren Reife zu gelangen.
Dies führt mittelfristig zu einem Absterben vieler Hauptschulen und zu einer Konzentration gerade betreuungsintensiver Schülergruppen an wenigen Schulzentren.
- Die durchschnittliche reale Klassenstärke wird anwachsen - und das ist auch ein Ziel dieser Bildungspolitik, die - wie Grüne, SPD, Landeselternbeirat und andere kritisieren - eine verschleierte Sparpolitik ist. Wenn die Alternative zum Gymnasium (unter den Voraussetzungen eines zweigliedrigen Schulwesens als Alternative zum dreigliedrigen in BaWü) attraktiv werden soll, muss jedoch im Unterricht stärker individualisiert und gefördert werden. Und das geht vorzugsweise in kleineren Klassen und überschaubarer Lernumgebung - zumindest in sensiblen Unterrichtsfeldern.
- Das Schulsystem wird noch stärker auf räumliche Konzentration hin orientiert - als habe es nie eine Informations- und Kommunikationsrevolution gegeben, die räumliche Distanzen relativiert (Beispiel Finnland). Schüler müssen längere Schulwege in Kauf nehmen, Ansätze zur kommunikativen Vernetzung des Unterrichts, die gerade in kleinen Hauptschulen erfolgreich erprobt und entwickelt wurden, werden nicht weiter verfolgt.
- Mittelfristig führt der "Etikettenschwindel" (so die Kritik von SPD, Grünen und anderen) der Landesregierung dazu, dass die verdrängten Probleme der bisherigen Hauptschule im Werkschulbereich wiederkehren.
Verteidigung
Wenn der Gedanke in seiner von Experten geplanten Form zur "Erweiterung der Bildungslandschaft" gänzlich umgeseztzt wird, ist jeder Werkrealschule eine Hauptschulform angegliedert.
Möglichkeiten des erweiterten Schulabschlusses zum 10. Schuljahr ist in dieser Schulform für jeden Schüler gegeben. Auch eine spätere Differenzierung (als zur 5. Klasse) der Lerninhalte ist im Kurssystem vorgesehen.
Damit ist auch die Wahl ins "Duale Schulsystem" mit fachgymnasialer Reife nach dem 10. Schuljahr für jeden Schüler dieser Schule möglich.
Die Differenzierung in begabungsbedingte und interessenorientierte Inhalte bleibt jeder Familie in eigenem Ermessen der Wahl frei.
Eine Schulempfehlung im 3./aufbauend 4. Schuljahr, zur Differenzierung des Bildungsweges ist somit nicht mehr nötig.
Im Modell muss noch berücksichtigt werden, dass eine gymnasiale Schullaufbahn, von den Eltern und Kindern selbst, ohne Vorschlagsrecht der Grundschule in beliebiger Zeit nach dem 4. Grundschuljahr stattfinden darf.
Das bedeutet: Die Eltern, nicht die Schule entscheiden den Bildungsweg ihrer Kinder, unter Berücksichtigung der vorhandenen Begabungslage und Fertigkeiten.
Die Aufnahmekriterien für Gymnasien werden von diesen selbst (nach bundesweiten Standards) festgelegt.
Nicht durch die Empfehlungen der Grundschullehrer während einer sich stark und schnell verändernden Entwicklungs- und sozialen Reifezeit der Kinder zum status quo der vierten Klasse vorgeschrieben.
- Die berechtigten Ängste von Eltern, in Bezug auf die Abschaffung der Hauptschule im nahen Wohnumfeld, sind das Wählerpotential, das die PIRATEN nutzen können.
- Voraussetzung ist die Unterstützung des Ausbau, statt des Rückbaus der jetzigen Bildungslandschaft.
- Die regionale Umsetzung des qualitativen Planes zum "Modell Werkrealschule", als Bereicherung der Bildungslandschaf -zur Wahrung der Chancengleichheit aller Schüler im Sinne des GG.
- Gegenposition zur wirtschaftlichen Vermarktung im Bildungssystem beziehen zu können, besonders dort, wo Hauptschulen "wegrationalisiert" werden sollen, statt ihr jetziges Angebot weiterhin nutbar zu machen.
- Umsetungsstrukturen sind gegeben durch den derzeitigen Bildungsplan zu Werkrealschulen:
- Durch praktische Umsetzung des Parallelangebotes in Form von -:
* baut auf die vierjährige Grundschule auf * umfasst fünf Schuljahre * schließt mit dem Hauptschulabschluss * bietet ein freiwilliges zehntes Schuljahr mit Erwerb eines dem Realschulabschluss gleichwertigen Bildungsstandes * Wahlmöglichkeiten ab Klasse 5 für jeden Schüler ohne die Disfferenzierungsnotwendigkeit (Festlegung) des 3-gliedrigen Schulsystems * Förderung der Fähigkeit zur eigenständigen Lebensgestaltung im privaten und beruflichen Bereich * Aufbau von Verständnis und Toleranz für Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen, durch das Parallelangebot unterschiedlicher Lernformen
- Ermöglicht werden müssen:
* Entwicklung eines Verantwortungsbewusstseins für sich und andere * Anbahnung des lebenslangen Lernens * Berücksichtigung unterschiedlicher und individuelle Lernbiografien * Diagnostizierung der Lernausgangslagen * abgestimmte didaktisch-methodische Maßnahmen * flexible organisatorische Maßnahmen
- Konsequenzen für den Schüler bei Beachtung der berücksichtigten Umgebungsvariablen sind:
* optimale pädagogische Förderung * Verbesserung der Ausbildungsfähigkeit * Förderung schwacher und benachteiligter Schülerinnen und Schüler * Steigerung der Lern- und Schulmotivation * Steigerung der persönlichen Leistungsfähigkeit
Fazit
- Was PIRATEN auf keinen Fall zulassen dürfen:
- Das Verschwinden der bisherigen Schulform Hauptschule muss verhindert werden. Nur durch das parallele Angebot aller entsprechend didaktisch aufbereiteten Lern-Inhalte für alle Schüler, ist eine sinnvolle Differenzierung nach Begabung, Leistung, Praxis- und Theorieorientierung in der angebotenen Lernlandschaft möglich!
- Was PIRATEN auf jeden Fall fördern sollten:
- Eine multifunktionale Bildungslandschaft, in der entwicklungsbedingten Nähe des Wohnbereiches. (Das bedeutet Grundschule im nahen Wohnunfeld)
- Den Erhalt der Infrastruktur der bisherigen Hauptschulen,
- entweder als erweitertes Angebot im Grundschulbereich
- oder durch infrastrukturellen Ausbau in das erweiterte Angebot "Modell Werkrealschule" mit entsprechenden praktischen und wissenschaftlich-praktischen Lerninhalten. (eine Kooperation mit umliegenden Lehrbetrieben zur Praxiserweiterung ist wünschenswert, um die Ausbaukosten "im Rahmen des Möglichen" zu belassen).
- Den Ausbau der verkehrstechnischen Anbindung des Schulsystems.
- Schulhausübergreifende Angebote in Lehrbetrieben und anderen Schulen sind so für jeden Schüler nutzbar.
Langfassung
- Die Piratenpartei Baden-Württemberg fordert in einem ersten Schritt die Ausweitung des neuen Werkrealschulkonzeptes als Aufbaustufe auf alle bestehenden Hauptschulen
- Berücksichtigung und Planung des Erhaltes der bestehenden Schulen, der Infrastruktur, des nahen Wohumfeldes und der Erreichbarkeit vorhandener Schulen wird gefordert.
- In Regionen, in denen die Erweiterung einer Hauptschule zur Werkrealschule nicht möglich erscheint (und wirtschaftliche und verkehrstechnische Argumente die Basis bilden), sollen umliegende Betriebe, Vereine und verkehrstechnische Ausbauten in der Planung und Umstrukturierung des Bildungs-Angebotes berücksichtigt werden.
- Wir fordern ferner eine Schulpolitik, die schon im Ansatz der Ghettobildung in "Sammelschulen" eines fixierten Bildungsweges (damit sind nicht Gesamtschulen gemeint, sondern die Werkrealschulen und die darin erkennbare Tendenz) entgegenwirkt.
- Wir unterstützen die Entwicklung flexibler, dezentraler und modularer Schulformen.
- Wir fordern, die weitere Anstellung von Lehrpersonal, sowie zur Lehre ausgebildetem Fachpersonal (im praktischen Bereich), um sowohl Qualität, als auch Betreuungskennziffern des Schulsystems zu garantieren.
Quellen
- Amtliche Darstellungen:
- Information des Kultusministeriums Baden-Württemberg
- Landtagsdrucksache Anfrage SPD zur Werkrealschule vom 13.07.2009
- Pressestimmen / Stellungnahmen:
- Sammlung von Stellungnahmen zur Werkrealschule
- Spiegel-Artikel vom 27.11.2008
- Stellungnahme des Landeselternbeirates Baden-Württemberg vom 04.05.2009
- Die neue Werkrealschule – Pädagogischer Rückschritt und organisatorisches Monstrum - Bedarfsanalyse GEW
Historie
Jedes Mal, wenn der Status geändert wird, hier bitte Eintragen.
Datum | Status | Begründung |
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05.11.2009 | In Arbeit | Rüberkopiert aus ML Vorschlag |
27.01.2010 | In Arbeit | Argumentatorische Ergänzungen zum eigentlichen Modell, Aufstellung des Forderungskataloges --Jasenka |