Benutzer:Doc ter ror/Zugangserschwerungsgesetz

< Benutzer:Doc ter ror
Version vom 23. November 2009, 21:06 Uhr von imported>Doc ter ror (Link zur Drucksache 16/13411 eingefügt)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)

Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen

Diese Zusammenfassung von Argumenten in Zusammenhang mit dem Zugangserschwerungsgesetz (ZugErschwG) hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Korrektheit. Sie dient lediglich als Diskussionsanstoß.

Grundlagen

Kritik

Unwirksamkeit der Sperrinfrastruktur

Die vorgesehenen Sperren sollen durch Umleitung auf Ebene der DNS-Einträge realisiert werden. Der vom eigenen Computer verwendeten DNS-Server kann in wenigen Sekunden umgestellt werden. Hierfür sind keine technischen Kenntnisse, sondern lediglich eine gute Anleitung erforderlich. Da eine Umstellung des eigenen DNS-Servers aus vielen Gründen sinnvoll sein kann, werden solche Anleitungen auch in Zukunft leicht im Internet zu finden sein. Es ist aber noch nicht einmal notwendig, den eigenen DNS-Server umzustellen. Ein DNS-Server übersetzt einen Domainnamen in eine IP-Adresse. Es reicht also völlig aus, die IP-Adresse des Tauschpartners oder Telemedienanbieters zu kennen, diese kann direkt als Adresse verwendet werden.

  • „Ein Stopp-Schild heißt nicht: Durchfahrt verboten, Straße gesperrt. Stopp-Schild heißt: Anhalten, rechts und links gucken, ob auch keiner kommt, und dann weiterfahren.“ (Volker Pispers)
  • Die Effektivität kann aber tatsächlich entsprechend verglichen werden: Wie ein Stoppschild vor einem Haus in dem Kinderpornographie zu finden ist.

Hinweis: das Argument der Unwirksamkeit kann kontraproduktiv sein. Geger können dann die Einführung wirksamerer Sperren fordern, oder argumentieren (wie bereits geschehen) dass keine Gefährdung der Bürgerrechte bestünde, da die Sperren ja leicht zu umgehen seien. Daher ist es sinvoller, dieses Argument bewusst nicht zu verwenden und stattdessen auf das gefährliche Machtinstrument einer Zensur-Infrastruktur hinzuweisen.

Bewusste Unterschlagung einzelner Tauschwege

Nicht alle Diensteanbieter müssen die Infrastruktur zur Zugangserschwerung umsetzen, sondern nur diejenigen, „die den Zugang zur Nutzung von Informationen über ein Kommunikationsnetz für mindestens 10.000 Teilnehmer […] ermöglichen“. Während der Großteil der Bevölkerung sich nicht für solche Inhalte interessiert und vordergründig keinen Grund zum wechselt des Anbieters hat, vermutlich also bei seinem Anbieter bleibt, wechseln diejenigen, die Kinderpornographie tauschen möchte, einfach zu einem kleineren Anbieter. Hierdurch werden automatisch alle Kunde eines Diensteanbieters mit weniger als 10.000 Teilnehmern zu Verdächtigen, frei nach dem Motto: Wenn du nichts zu verbergen hättest, dann hättest du auch keinen Grund zu einem kleinen Anbieter zu wechseln.

Schaffung einer Zensurinfrastruktur

Das Gesetz sieht ganz explizit vor, dass Diensteanbieter eine Infrastruktur schaffen müssen, die das Aufrufen bestimmter Seiten verhindert. Diese Infrastruktur ist die Grundlage des Gesetzes – sie ermöglicht erst die Zuständigkeit des Bundes: „Die den Zugangsvermittlern auferlegte Pflicht, den Zugang zu kinderpornographischen Angeboten durch entsprechende technische Vorkehrungen zu erschweren, ist als solche wirtschaftslenkende Maßnahme zu qualifizieren, da sie die Diensteanbieter in der Ausübung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit reglementiert.“ Ob die Anbieter die Sperrseiten jedoch um eigene Einträge erweitern, um den Zugriff auf weitere Inhalte zu sperren, kann nicht kontrolliert werden, da die Sperrliste geheim ist. Ob die Sperrliste selbst tatsächlich nur Seiten mit Kinderpornographie enthält ist ebenfalls fraglich.

Mangelnde Gewaltenteilung

Die Liste wird vom BKA geführt und an die Diensteanbieter verbreitet. Zur Einhaltung der Gewaltenteilung in Deutschland wäre es jedoch notwendig, dass alle Webseiten zunächst von einem Richter geprüft werden. Das Gesetzt sieht lediglich eine nachträgliche, stichprobenartige Prüfung vor, wobei „die Mehrheit der Mitglieder des fünfköpfigen Gremiums die Befähigung zum Richteramt haben [muss].“ Diese Prüfung ist jedoch kaum ausreichend, da trotzdem einzelne Seiten mit legalen Inhalten rechtswidrig mehrere Monate lang gesperrt werden könnten.

Begrenzung auf 3 Jahre

Die Bundesregierung versucht das Gesetz zu relativieren, indem sie „die Geltungsdauer des Gesetzes [.] bis zum 31.12.2012 befristet.“ Die Zensurinfrastruktur muss bis dahin aber schon von jedem Anbieter aufgebaut sein, sodass der wirtschaftliche Schaden für die Unternehmen bereits entstanden ist.

Erweiterung auf andere Inhalte

In der Debatte direkt vor Beschluss des Gesetzes hat Frau Dr. Martina Krogmann (CDU/CSU) selbst erklärt: „So hat das Landgericht Hamburg bereits angedeutet, dass eine Sperrinfrastruktur im Prinzip auch gegen andere rechtswidrige Inhalte zu verwenden wäre. Vereinzelt kommen Forderungen nach Sperrungen zum Schutz vor Glücksspiel, der Urheberrechte und vor sogenannten Killerspielen auf.“ Gleichzeitig ist der Gesetzentwurf zunächst aber ganz gezielt nur auf Kinderpornographie gemünzt. Die Diskussion der Erweiterung entbehrt aber trotzdem jeder Grundlage: Wenn ein Gesetz zur Bekämpfung einer bestimmten Straftat wäre, muss das Gesetz konsequenterweise auch zur Bekämpfung anderer Straftaten angewendet werden! Die Behauptung, das Gesetz würde dauerhaft nur zur Bekämpfung von Kinderpornographie angewendet heißt also übersetzt: Das Gesetz ist nicht wirksam.

Stoppmeldung als Frühwarnsystem

Alle vom BKA erfassten Seiten mit entsprechenden Inhalten werden innerhalb eines Tages gesperrt. Wenn nun ein Anbieter illegalen Inhalts in regelmäßigen Abständen seine eigene Website öffnet und irgendwann eine Stoppmeldung erscheint, so weiß der Anbieter mit Gewissheit, dass seine Seite vom BKA erfasst wurde. Er hat nun Gelegenheit, alle Beweise rechtzeitig zu vernichten, bevor eine Durchsuchung bei ihm durchgeführt werden kann. Die von Diensteanbietern einzurichtende Stoppmeldung kann somit problemlos als Frühwarnsystem genutzt werden. Mann muss aber noch nicht einmal regelmäßig die eigene Website kontrollieren: „Wir ein Telemedienangebot erstmals oder erneut in die Sperrliste aufgenommen, soll das Bundeskriminalamt in der Regel dem Diensteanbieter, der dieses Telemedienangebot als eigene Information […] zur Nutzung bereithält, sowie dem Diensteanbieter, der dieses Telemedienangebot […] für einen Nutzer speichert, die Aufnahme und den Grund hierfür mitteilen, sofern der Diensteanbieter mit zumutbarem Aufwand zu ermitteln ist.“

  • Das ist, wie wenn man eine Hausdurchsuchung zwei Wochen vorher in der örtlichen Presse ankündigt.
  • „Das ist, wie wenn ein Polizist im Park einen Vergewaltiger auf frischer Tat ertappt und anstatt die Frau zu retten und den Typ zu packen, ruft er ein paar Kollegen und die stellen einen Sichtschutz auf.“ (frei nach Volker Pispers)

Sperrliste als Suchindex

Alle gesperrten Seiten werden vom BKA auf einer Sperrliste eingetragen, die täglich an alle Diensteanbieter übertragen wird. Wenn diese Liste nun einem Pädokriminellen bekannt würde, so hätte dieser direkt eine ganze Liste von Seiten, auf denen er illegales Material finden kann. (siehe Unwirksamkeit). Selbst wenn es gelingen würde, diese Übertragung abhörsicher zu gestalten, so ist es trotzdem möglich, sich selbst eine solche Liste zu beschaffen. Hierzu muss man lediglich einen Computer so einstellen, dass er beliebige Webseiten aufruft und guckt, ob das Ergebnis der Anfrage eine Stoppmeldung ist. Alle gesperrten Seiten werden vom Computer in eine Liste gespeichert und schon hat man die Sperrliste.

Kritik an der Form

  • Der am 18.06.2009 von den Bundestagsabgeordneten abzustimmende Entwurf wurde erst einen Tag vorher fertiggestellt, jedoch nicht im Bundestag diskutiert.
  • Der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, soll zur Kontrolle der Sperrliste ein Gremium einberufen, hierfür sieht der Gesetzesentwurf jedoch keinerlei Mittel vor. Zudem erklärt der Bundesbeauftragte selbst, dass ein solches Kontrollgremium nicht in seinen Kompetenzbereich fällt, da dieses zur Judikative gehört.

Alternative „Löschen statt Sperren“

Die Piratenpartei fordert als Alternative zum Zugangserschwerungsgesetz unter dem Slogan „Löschen statt Sperren“, dass Kinderpornographie nicht durch Stoppmeldungen ausgeblendet werden, sondern diese Inhalte gelöscht werden.

Aktuelle Umsetzung (Löschen vor Sperren)

Im Gesetzentwurf ist vorgesehen, Kinderpornographie zu löschen, allerdings in einer anderen Form, als von der Piratenpartei gefordert. „Die Aufnahme in die Sperrliste erfolgt nur, soweit zulässige Maßnahmen, die auf die Löschung des Telemedienangebots abzielen, nicht oder nicht in angemessener Zeit erfolgversprechend sind.“ Das Problem hierbei ist, dass „die Beurteilung, ob Maßnahmen gegenüber dem Diensteanbieter durchführbar sind und im Hinblick auf die Verhinderung der Verbreitung von Kinderpornographie Erfolg versprechen, [.] dem BKA [obliegt].“ Es kann also nicht geprüft werden, ob überhaupt über eine Alternative nachgedacht wurde. Eine bestimmte URL auf eine Sperrliste zu setzen ist aber in jedem Fall eine sehr bequeme Alternative.

Machbarkeitsstudie

Der Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur (AK Zensur) hat einen Versuch zur Löschung von Kinderpornographie im Internet durchgeführt. Auszug der Ergebnisse:

  • Die ersten Reaktionen bzw. Löschungen folgten bereits nach wenigen Minuten und kamen unter anderem aus den USA, Holland, Dänemark, Russland sowie Deutschland.
  • Innerhalb der ersten 12 Stunden nach Aussenden der Mails wurden bereits 60 Webauftritte gelöscht. Drei der jetzt vom Netz genommenen Webauftritte befanden sich auf Servern in Deutschland.

Weitere Ergebnisse des Tests hinsichtlich der Sperrlisten:

  • Insgesamt wurden automatisiert 348 verschiedene Provider in 46 Ländern angeschrieben und über rund 1943 gesperrte vorgeblich illegale Webseiten informiert. Eine manuelle inhaltliche Analyse der Webseiten hat vorher nicht stattgefunden.
  • 250 Provider haben auf die Anfrage geantwortet, haben aber hauptsächlich legale Inhalte gefunden; mit Stichproben konnten diese Angaben bestätigt werden. Zehn Provider gaben an, insgesamt 61 illegale Inhalte entfernt zu haben.
  • Bei der überwiegenden Mehrheit der Webseiten, darunter einigen aus Deutschland, zeigte sich bei der Überprüfung durch den Provider, dass die Webseiten kein kinderpornographisches, teils überhaupt kein irgendwie beanstandbares Material enthielten - die Webauftritte waren folglich zu Unrecht gesperrt. In Finnland werden zudem auch mehrere inländische Webseiten blockiert, die sich kritisch mit den dortigen Internet-Sperren auseinandersetzen.
  • Die Provider wurden bislang nicht darüber informiert, dass die bei ihnen gehosteten Webauftritte auf einschlägigen Sperrlisten geführt wurden.
  • Wenn sie darauf hingewiesen werden, sind die Provider zur Kooperation bereit und entfernen illegale Inhalte umgehend.
  • Teilweise handelte es sich bei dem gesperrten Material um "gecrackte" Webauftritte, also solche, die durch Ausnutzen von Sicherheitslücken zur Verbreitung fremden Materials missbraucht wurden. Auch hier zeigten sich die Provider sehr dankbar für die Hinweise.