AG Open Access/Wahlpruefsteine

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Das Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft hat den fünf im Bundestag vertretenen Parteien Wahlprüfsteine zu den Themen bildungs- und wissenschaftsfreundliches Urheberrecht, Open Access usw. vorgelegt. Beantwortet wurden diese von FDP, den Grünen und der SPD, eine tabellarische Synopse der Antworten als pdf-Download findet man hier. Wir möchten die piratischen Positionen zu diesen Themen dem Urheberrechtsbündnis zukommen lassen und formluieren deswegen i.M. die einzelnen Antworten dazu:

Frage 1: Geistiges Eigentum in elektronischen Umgebungen

In der Fachdiskussion wird immer mehr bezweifelt, ob das Konzept des geistigen Eigentums als ein exklusives privates persönliches Recht noch geeignet ist, Kreativität und Innovation in Wissenschaft und Wirtschaft zu befördern, insbesondere in elektronischen Umgebungen. Diese Zweifel verstärken sich, auch wenn weiterhin viele Fachleute (Wissenschaftler, Politiker, Wirtschaftler) der gegenteiligen Meinung sind, dass gerade der Schutz des persönlichen geistigen Eigentums für Erhalt und Beförderung von Kreativität und Innovation unverzichtbar sei und daher eher noch verstärkt werden müsste.
1.1 Welche Position nehmen Sie in dieser schwierigen Debatte ein?
1.2 Ist nach Ihrer Einschätzung das geistige Eigentum im Urheberrecht ausreichend geschützt, oder sollte der Schutz eher verstärkt werden?
1.3 Welche Rolle soll geistiges Eigentum in Bildung und Wissenschaft spielen?
1.4 Ist der Schutz des geistigen Eigentums ein wichtiger oder sogar entscheidender Faktor für das Schaffen neuen Wissens?
1.5 Profitiert neben der Informationswirtschaft auch die allgemeine Wirtschaft, mit Blick auf Innovationen, von einem starken Schutz des geistigen Eigentums? Oder wird sie eher dadurch behindert?

Antwort auf Frage 1:

Wir halten das aktuelle Konzept des Geistigen Eigentums für weitgehend überholt. Eine Modernisierung der diesbezüglichen Praktiken ist eines der Hauptziele der Piratenpartei. In gewissen Aspekten des Urheberrechts ist der Urheber nicht genügend vor den Verwertern geschützt. Aber es geht uns auch darum, die Rechte der Nutzer gegenüber den Rechten des Urhebers und vor allem den der Verwerter zu stärken. Geistiges Eigentum sollte in staatlich finanzierter Forschung und Bildung eine immer kleinere Rolle spielen. Gerade in diesen Bereichen profitieren wir am meisten vom Austausch der Ideen und von der maximalen Verbreitung von Wissen und Kultur. Deshalb setzt sich die Piratenpartei bewusst für eine vermehrte Nutzung von freien Lizenzen, wie etwa Creative Commons, bei öffentlich finanzierten Publikationen ein.

Frage 2: Urheberrecht und Informationsversorgung durch Bibliotheken

Entsprechend § 53a UrhG wird den kommerziellen Informationsanbietern (nicht nur, aber überwiegend den großen internationalen Zeitschriftenkonzernen) quasi ein Monopol über den elektronischen Dokumentenversand eingeräumt. Die Bibliotheken, die bislang für Wissenschaftler und Studierende die Informationsversorgung geleistet haben, dürfen hier nicht mehr aktiv werden, es sei denn, sie haben spezielle Lizenzverträge mit den Rechteinhabern abgeschlossen. Dadurch entstehen den Endnutzern Kosten, die bislang für sie nicht angefallen sind und die vor allem für Studierende nicht akzeptabel sind. Bislang arbeiten auch Studierende immer mehr mit rein elektronischem Material. 2.1 Welche Vorschläge haben Sie, um die Bibliotheken auch in Zeiten des Internet wieder in die Rolle der primären Informationsmittler einzusetzen? Oder gibt es für Sie andere Modelle (unabhängig von den Bibliotheken), mit denen die Informationsversorgung für die in Bildung und Wissenschaft Tätigen gesichert werden kann?
2.2 Sehen Sie dies (die Informationsversorgung von Bildung und Wissenschaft) als öffentliche Aufgabe an oder sollten dies dem Markt überlassen bleiben?

Antwort zu Frage 2:

Solange wir uns im Bereich der öffentlichen Bildung und Wissenschaft befinden ist es die vernünftigste Lösung auch öffentliche Informationsversorgung. Eine privatwirtschaftliche Vormachtstellung gegenüber dieser evoziert Probleme, wie wir sie in Form von stetig steigenden Abonnementgebühren und Lizenzstreitigkeiten schon kennen. Natürlich begrüßen wir die zunehmende Elektronisierung der Inhalte, da sie Studierende und Wissenschaftler unabhängiger von Öffnungszeiten und Standorten macht und den Austausch untereinander beschleunigt. Damit digitale Dokumente aber so funktional sein können, müssen sie vor allem frei zugänglich und ohne störende DRM-Maßnahmen vorliegen. Sobald alle relevante Fachliteratur unter Freien Lizenzen verfügbar ist, wird den Bibliotheken hauptsächlich die Aufgabe zukommen, den Zugang zu und eine sichere Archivierung dieser Werke zu gewährleisten.

Frage 3: Einzelne Ausnahmen oder allgemeines Ausnahmeprinzip

Das deutsche Urheberrecht sieht abschließend einzelne, teils eng begrenzte Ausnahmen (Schranken) von den an sich exklusiven Urheberrechten vor, z.B. für Bildung und Wissenschaft und Bibliotheken (§§ 52a, b, 53, 53a, 46, 38 UrhG). 3.1 Sind Sie der Ansicht, dass über solche einzelne Ausnahmebestimmungen auch den raschen Entwicklungen im Internet Rechnung getragen werden kann?
3.2 Oder sind Sie der Ansicht, dass im Urheberrecht eher ein allgemeines Ausnahmeprinzip aufgenommen werden sollte? Dies ist z.B. im angelsächsischen Recht durch das Fair-use-Prinzip vorgesehen, durch das die Gerichte flexible auf neue Entwicklungen reagieren können. Eine solches oder ähnliches Prinzip ist bislang nicht Bestandteil des deutschen Urheberrechts.
3.3 Was spricht für, was gegen ein solches Prinzip?

Antwort zu Frage 3:

Bei der Frage nach der Ausnahme sollte man sich erst fragen, welche Ziele die einzelnen Akteure bei der Weiterverwendung urheberrechtlich geschützter Werke haben. So sollte die private, nicht kommerzielle Benutzung von Werken allgemein erlaubt werden. Dies formulieren wir auch explizitin unserem Wahlprogramm: "Wir PIRATEN fordern für Privatleute ohne kommerzielle Interessen das Recht, Werke frei verwenden und kopieren zu dürfen."

Frage 4: Chancen für ein spezielles Wissenschaftsprivileg im Urheberrecht

Bislang verfolgen die Urheberrechtsbestimmungen einen strikt einheitlichen Ansatz. D.h. es wird bezüglich der Rechte und Ausnahmen (Schranken) z.B. nicht zwischen den zu schützenden oder zu nutzenden Werken auf den Publikums-/Consumermärkten (Musik, Videos, Spiele, Unterhaltung) und den Rechten und Ausnahmen in Bildung und Wissenschaft, einschließlich der Bibliotheken, unterschieden. Im Gesetzgebungsverfahren des Zweiten Korbes hatte z.B. der Bundesrat ein Zweitverwendungsrecht für Urheber von wissenschaftlichen Beiträgen angeregt, die überwiegend im Rahmen einer mit öffentlichen Mitteln finanzierten Lehr- und Forschungstätigkeit entstanden sind. 4.1 Sind Sie der Ansicht, dass das Urheberrecht einheitlich bleiben sollte?
4.2 Oder sehen Sie starke Unterschiede, z.B. in den angesprochenen Bereichen, so dass spezielle Regelungen für Bildung und Wissenschaft formuliert werden sollten?
4.3 Wie könnten solche Regelungen aussehen?
4.4 Würden Sie ein allgemeines Wissenschafts-, Bildungs- oder Bibliotheksprivileg für sinnvoll halten?

Antwort zu Frage 4:

Wir glauben nicht, dass die Wissenschaft ein besonderes Privileg im Umgang mit urheberrechtlich geschützten Werken braucht. Es ist eher so, das sämtliche Bedürfnisse der Wissenschaftler auch anderen Nutzer eingeräumt werden müssen, unabhängig davon ob es sich um Amateure, Künstler oder einfache Privatpersonen handelt. Wir sind für ein einfaches, klar verständlichen Urheberrecht. In dem Sinne erscheinen uns starke Unterschiede, die zur Unsicherheit der Rechtslage führen, als eher kontraproduktiv, da sie "chill effects" für die Nutzer schaffen.

Frage 5: Vergütungspflichtigkeit urheberrechtsgeschützter Materialien in Bildung und Wissenschaft

In der jetzigen Urheberrechtsregulierung sind, wie unter (3) erwähnt, einige Schranken zugunsten von Bildung und Wissenschaft vorgesehen. Jedoch ist in jedem Fall eine Vergütung für die Nutzung urheberrechtsgeschützter (elektronischer) Materialien verpflichtend.
5.1 Halten Sie die Vergütung für die Nutzung von urheberrechtsgeschützten Informationsprodukten in Bildung und Wissenschaft grundsätzlich für richtig?
5.2 Wie soll diese Vergütung nach Ihrer Meinung organisiert sein?
5.3 Wer soll für die Zahlung verantwortlich sein: die Wissenschaftler selber, die Bibliothek, das jeweilige Land?
5.4 Sollte das individuell entsprechend jeder Nutzung abgerechnet werden oder würden Sie eine Pauschalzahlung (flat rate) für sinnvoll halten?
5.5 Sollte diese Pauschalzahlung von den Trägern der Hochschuleinrichtungen geleistet werden?
5.6 Sollen die Wissenschaftler/innen bzw. die Studierenden selber einen Teil der Informationskosten tragen?

Antwort zu Frage 5:

Insbesondere die staatliche Forschung und Bildung stellt eine nicht-kommerzielle Nutzung dar. Sofern Veröffentlichungen unter Freien Lizenzen herausgegeben werden, sehen wir keinen Bedarf an Vergütung für die Urheber deren Werke genutzt worden wurden, da der gesamtgesellschaftliche Gewinn durch Bildung und Forschung dem der Urheber in diesem Falle vorzuziehen ist. Werden die Veröffentlichungen für die die urheberrechtlich geschützten Werke genutzt worden wurden, nicht unter Freien Lizenzen gestellt, so soll der Autor alleine die, durch den Anspruch der Urheber auf Vergütung enstehende Kosten tragen.

Frage 6: Urheberrecht und eLearning

eLearning wird zunehmend über die Kommunikationsformen des Internet betrieben. Es ist also nicht mehr an eine lokale Unterrichtseinrichtung gebunden, sondern wird virtuell verteilt (disloziert) organisiert, und die Studierenden arbeiten häufig auch in Gruppen, also kollaborativ, zusammen. Die hier einschlägige Schranke des deutschen Urheberrechts (§ 52a UrhG) trägt dem eLearning kaum Rechnung.
6.1 Wie sollte nach Ihren Vorstellungen das Urheberrecht gestaltet werden, damit eLearning entsprechend den Potenzialen elektronischer Dienste nutzbringend eingesetzt werden kann?

Antwort zu Frage 6:

Hier ist wieder zu unterscheiden, ob die Nutzung eine kommerzielle ist oder nicht. Im ersteren Fall müssen sich die Anbieter vertraglich mit den Urheber verständigen, im zweiten Fall erfolgt die Nutzung frei.

Frage 7: Urheberrecht und Open Access

Als Alternative und in Ergänzung zu den Informationsprodukten der kommerziellen Informationswirtschaft (in der Wissenschaft sind das primär die Zeitschriften) entwickeln sich aus der Wissenschaft heraus immer mehr Publikationsformen im Open-Access-Paradigma, wenn auch in vielen Bereichen noch zögerlich.
7.1 Welche Möglichkeiten sehen Sie, über das Urheberrecht den Prozess der Open- Access-Publikation zu befördern, z.B. über eine Änderung von § 38 UrhG, wie vom Bundesrat empfohlen?
7.2 Halten Sie es für sinnvoll bzw. überhaupt für möglich, dass die Hochschulen ihre Wissenschaftler/innen verpflichten, zeitgleich mit der Publikation in einem Verlag das Werk in das Open-Access-Repository ihrer Hochschule bereitzustellen?
7.3 Sollten die öffentlich finanzierten Förderorganisationen (wie DFG) ihre Projektnehmer verpflichten, innerhalb einer festzulegenden Zeitspanne ihre Publikationen auch Open Access zu stellen?
7.4 Wie lang sollte diese Zeitspanne sein?
7.5 Mit welchen Maßnahmen können die kommerziellen Verlage beteiligt werden, um auch kommerziell tragfähige Geschäftsmodelle im Open-Access-Ansatz zu entwickeln?

Antworten zu Frage 7:

Zu 1: Die vom Bundesrat vorgeschlagene Änderung von § 38 des UrhG vereinfacht es zumindest in der Wissenschaft Ergebnisse zweitzuverwerten. In diesem Sinne begrüßen wir jeden Fortschritt in diesem Bereich und unterstützen diesen Vorschlag. Neben diesen Änderungen ist es in unseren Augen unverzichtbar die Strukturen in den Universitäten und das Angebot an Open-Access-Repositories auszubauen.

Zu 2: Ja, denn wir glauben, dass auch hier die Universitäten die Möglichkeit zu einem offenen Zugriff sicher stellen sollten.

Zu 3: Ja, dieses Modell ist mittlerweile erprobt und wird beispielsweise in den USA schon erfolgreich eingesetzt.

Zu 4: Im Idealfall sollten die Publikationen auch sofort frei verfügbar sein. Über eine Schutzfrist für Verlage lässt sich jedoch gegebenenfalls diskutieren.

Zu 5: Verlage werden in Zukunft nicht darum herum kommen können, ihre Geschäftsmodelle den aktuellen Gegebenheiten, und damit auch an Open Access, anzupassen. Verlage die sich diesen Modellen angepasst haben gibt es bereits. Die Public Library Of Science veröffentlicht 6 Journals per Open Access. Das Pay-To-Publish-Modell bewährt sich dort. Und auch die PNAS oder die npg stellen langsam auf Open Access um. Wir sehen daher das es bereits jetzt durchaus kommerziell tragfähige Geschäftsmodelle gibt. Schließlich darf man auch nicht vergessen, dass ein Geschäftsmodell nicht notwendigerweise erhalten bleiben muss. Es gibt jetzt schon viele Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen die ehrenamtlich Open Access Journale herausbringen und weder von Autoren noch von Nutzern Geld dafür erhalten.

Frage 8: Technische Schutzmaßnahmen in Bildung und Wissenschaft

Das deutsche Urheberrecht gibt den technischen Schutzmaßnahmen (Digital Rights Management) selber den Rechtsschutz des Urheberrechts. Dadurch werden teilweise sonst vorgesehene Schrankenbegünstigungen, auch für Bildung und Wissenschaft, außer Kraft technische Schutz schränkt selbst den an sich erlaubten Zugriff und die Nutzung urheberrechtsgeschützter Materialien ein, so dass dadurch auch eine Kontrolle über die Inhalte erfolgt.
8.1 Halten Sie den Einsatz von technischen Schutzmaßnahmen in Bildung und Wissenschaft überhaupt für angemessen?
8.2 Wie kann gewährleistet werden, dass trotz technischer Maßnahmen der Zugriff auf diese Materialien gesichert werden kann?

Antwort zu Frage 8:

Unser Wahlprogramm ist diesbezüglich eindeutig: "Technische Maßnahmen, die verhindern, dass Kunden Kultur im Rahmen des Gesetzes zu nutzen, wie die sogenannte DRM-Technologie, sind ungesetzlich."

Frage 9: Bedarf nach einem Leistungsschutzrecht für Verlage?

In der letzten Zeit ist von Seiten einiger Verleger (s. Hubert Burda), aber auch von der Politik (Staatsminister Neumann) ein spezielles Leistungsschutzrecht gefordert worden, das die Rechte derjenigen schützen soll, die die Werke der Kreativen/Autoren durch Publizieren vermitteln. Wenn auch die Forderung sich bislang eher auf die Presseerzeugnisse bezieht, für die Verleger die Sicherheit per Gesetz garantiert sehen wollen, "dass ihnen das ausschließliche Recht auf Vervielfältigung, Verbreitung, öffentliche Wiedergabe und öffentliche Zugänglichmachung" zusteht (so Burda in der FAZ vom 30.6.2009, S.35), deutet sich schon jetzt eine Ausweitung auf das Verlagswesen insgesamt an. Dazu unsere Fragen:
9.1 Sind Sie auch der Ansicht, dass das Urheberrecht bislang eher die Rechte der Urheber schützt, so dass über das Urhebervertragsrecht hinaus der Bedarf nach einem (exklusiven) Schutz der Verwerter/Verleger besteht?
9.2 Muss der Staat über ein Leistungsschutzrecht überhaupt die Interessen kommerzieller Verleger, z.B. gegenüber Suchmaschinenanbieter wie Google, vertreten, wenn deren ökonomische Basis durch deren Werbeeinnahmen gefährdet ist?
9.3 Können durch ein Leistungsschutzrecht die Verwertungsrechte der Autoren selber, z.B. der Journalisten oder Wissenschaftler, noch gewahrt werden?
9.4 Wird durch ein Leistungsschutzrecht der Verlage das Ziel von Open Access in Bildung und Wissenschaft behindert?

Antwort zu Frage 9:

Wir sehen kein Bedarf, ein exklusives Verwerterschutzrecht einzuführen. Es ist nicht Rolle des Staates, Geschäftsmodelle die sich nicht rentieren künstlich am Leben zu erhalten. Im Zuge des Wandels zur Wissensgesellschaft müssen die Rechte der Verwerter und Urheber anpasst werden, wenn sie in der aktuellen Form nicht mehr durchzusetzen sind. Eventuelle negative Folgen für Forschung und Wissenschaft wären unserer Meinung nach schon Grund genug Leistungschutzrechte abzulehnen.