Parteiprogramm/Änderungsanträge/Transparenz bei der Veröffentlichung von Nebentätigkeiten von Abgeordneten

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Beschlossen durch den BPT2010.2 in Chemnitz als Positionspapier


Bereits im Juni 2005 beschloss der Deutsche Bundestag eine Änderung des Abgeordnetengesetzes und seiner Geschäftsordnung. Er gestaltete damit die Veröffentlichungspflichten von Nebentätigkeiten von Abgeordneten neu. Das Gesetz zielte darauf, Wählerinnen und Wählern eine Abwägung zu ermöglichen, ob und inwieweit Bundestagskandidaten und –Abgeordnete Partial- oder Gesamtinteressen der Wählerschaft oder – auf Grund ihrer beruflichen Position - gar persönliche Interessen mit ihrer Wahl verbinden, das heißt: Interessenkonflikte sollten transparent werden. Außerdem sollten Nebeneinkünfte ohne adäquate Gegenleistung ausdrücklich verboten werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom 4. Juli 2007 bestätigt, dass sowohl das Abgeordnetengesetz, als auch die in der Geschäftsordnung festgelegten Verhaltensregeln der Verfassung entsprechen. Seither gilt: Das Mandat steht nach § 44a Abs.1 Satz 1 des Abgeordnetengesetzes im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Abgeordneten; alle anderen beruflichen Aktivitäten sind zulässig und gelten als Nebentätigkeiten, die dem Präsidenten anzuzeigen und die dann von ihm zu veröffentlichen sind .

Die aus diesen Nebentätigkeiten erzielten Einkünfte müssen zwar dem Präsidenten des Bundestages gegenüber angegeben werden; sie werden jedoch nur im Rahmen von drei Betragsintervallen: 1.000 – 3.500 Euro, 3.500 – 7.000 Euro oder 7.000 Euro und mehr veröffentlicht.

Die Veröffentlichungspraxis, die der Bundestagspräsident unmittelbar nach dem Spruch des Verfassungsgerichts veranlasste und seither kontrolliert, weist jedoch – trotz der Verbesserung im Vergleich mit den alten Verhaltensregeln - immer noch erhebliche Mängel auf. Das Ziel, der Wählerschaft, den Mitabgeordneten und der Öffentlichkeit Transparenz über die Tätigkeiten und Einkünfte der Abgeordneten zu gewähren, wird nicht optimal erreicht.

Wählerinnen und Wählern können nach wie vor nicht zweifelsfrei bewerten, ob und in welchem Umfang ihre Gewählten durch Nebeneinkünfte in Interessenskonflikte verstrickt sind, denn mögliche bedeutsame Interessensverknüpfungen, Abhängigkeiten oder schwerwiegende Interessenkonflikte, die durch die Veröffentlichungspraxis für jedermann erkennbar gemacht werden sollten, bleiben undeutlich.

Wirkliche Transparenz ist jedoch zur Aufrechterhaltung des freien Mandats unbedingt erforderlich. Nur so kann das Vertrauen des Volkes in die Integrität der Abgeordneten und ihre freie Mandatsausübung als unabdingbare Voraussetzung für eine parlamentarische Demokratie gewahrt beziehungsweise zurück erlangt werden.

„Die parlamentarische Demokratie basiert auf dem Vertrauen des Volkes; Vertrauen ohne Transparenz, die erlaubt, zu verfolgen, was politisch geschieht, ist nicht möglich.“ (BVerfGE 40, 296 (327)).

Daher fordert die Piratenpartei Deutschland:

  • Integration der Ausführungsbestimmungen in die Verhaltensregeln - Gesetzliche Normierungen über die Nebentätigkeit von Abgeordneten und deren Offenlegung sind im Abgeordnetengesetz, in den Verhaltensregelungen und in den Ausführungsbestimmungen geregelt. Die Ausführungsbestimmungen sind auf der Grundlage der Ermächtigung in § 1 Abs.4 der Verhaltensregelungen vom Bundestagspräsidenten am 30. Dezember 2005 erlassen worden. Um eine höhere Transparenz, Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit über die Legislaturperioden hinweg zu ermöglichen, sollen die Ausführungsbestimmungen in die Verhaltensregelungen integriert und soll auf separate weitere Regelungen verzichtet werden.
  • Veröffentlichung der Höhe der Einnahmen aus jeder einzelnen Nebentätigkeit - Die Veröffentlichung in drei Stufen hat sich als kontraproduktiv und eher verwirrend erwiesen. Insbesondere bei Angaben zur dritten Stufe wird nicht deutlich, ob Einkünfte von 7.001 € oder Einkünfte in Höhe von fünf- oder sechsstelligen Eurobeträgen erzielt werden, was in Bezug auf mögliche Interessenskonflikte eine bedeutsame Information sein kann. Die Piratenpartei Deutschland fordert daher eine Veröffentlichung der genauen Einnahmen je Nebentätigkeit.
  • Möglichst umfassende Offenlegung von Nebentätigkeiten von Rechtsanwälten- Das Gesetz und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sehen eine Gleichbehandlung von Anwälten in großen Kanzleien und Anwälten mit kleinerer Mandantenschaft, aber unterschiedlichen Schwerpunkten vor. In größeren Sozietäten tätige Rechtsanwälte und Freiberufler berufen sich jedoch vermehrt darauf, dass Beteiligungen eines Abgeordneten, die nicht mehr als 25 Prozent betragen, nicht anzeigepflichtig seien. Laut BVerfG umfasst die Anzeigepflicht aber ausdrücklich auch Mittelzuflüsse auf dem Weg über die Ausschüttung von Gesellschaftsgewinnen, die der/die Abgeordnete durch eine anzeigepflichtige Tätigkeit mit erwirtschaftet hat. Es mache keinen Unterschied, ob der/die Abgeordnete für die Tätigkeit unmittelbar honoriert wird oder von der Tätigkeit mittelbar als Gesellschafter profitiert. Diese Gleichbehandlung wird vom Bundestagspräsident derzeit nicht eingefordert und vollzogen. Die Piratenpartei Deutschland fordert insofern umgehend Abhilfe. Die Piratenpartei Deutschland fordert ferner, dass Rechtsanwälte verpflichtend angeben müssen, aus welcher Branche ihre Mandanten kommen. Denn auch hier liegt ein erhebliches Potential für mögliche Interessenkonflikte. Es ist weiterhin wünschenswert, dass Anwälte ihre Mandanten um die Erlaubnis bitten, ihren Namen bei der Angabe der Nebentätigkeit veröffentlichen zu dürfen. Dies ist für Werbezwecke in den Kanzleien bereits weit verbreitete Praxis. Bei juristischen Personen muss diese Abfrage zur Veröffentlichungsbereitschaft verpflichtend sein.