Entwurf offener Brief an Angela Merkel (Urheberrecht)

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Dies ist ein privater Entwurf, keine Aktion der Piratenpartei.

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, vor Kurzem richtete der Bundesverband Musikindustrie einen offenen Brief an Sie, den ca. 200 Künstler unterzeichneten. Es wird gefordert, den Schutz des "geistigen Eigentums" weiter auszubauen. Darin wird der Regierung vorgeworfen, dass der Staat bisher nahezu unbeteiligt zuschaue, während die Rechte der Künstler verletzt werden. Wir fragen uns, ob die Änderungen am Urheberrecht, die in den vergangenen Jahren stattgefunden haben und die Rechte der Konsumenten stark einschränkten, ein unbeteiligtes Zuschauen darstellen.

Die Autoren des Briefes vergleichen den Schutz von Musik und sonstiger Kunst mit dem Schutz von patentierten Erfindungen. Wenn diese beiden Dinge ähnlichen Bedingungen unterliegen würden, wären viele Menschen bereits zufrieden. Ein Patent soll einen Anreiz bieten, damit es sich lohnt, erfinderisch tätig zu sein und vor allem die Erfindung der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Patente schränken nur die gewerbliche Nutzung ein, während das Urheberrecht auch die private Nutzung und Weitergabe einschränkt. Das Vorgehen der Regierung gegen Produktpiraterie in China richtet sich gegen gewerbliche Verstöße gegen Patentrechte. Gewerbliche Verstöße gegen das Urheberrecht lehnen wir ab und wir begrüßen deren Verfolgung. Die Bemühungen der Verbände der Verwerterindustrie hierzulande richten sich aber primär gegen private Nutzer.

Weiterhin ist spätestens 20 Jahre nach Anmeldung der Erfindung der Patentschutz beendet. Die Erfindung darf von da an von jedem frei benutzt werden und dient somit dem Wohl aller. Bei Kunst beträgt diese Schutzfrist jedoch nicht 20 Jahre, sondern derzeit 70 Jahre, und zwar nicht beginnend mit der Erschaffung des Werks, sondern mit dem Tod des Künstlers. Diese Frist kann daher nicht dem Schutz des Autors dienen, sie dient ausschließlich dem Profit der Musik- bzw. Inhalteindustrie. Sie ermöglicht bei bekannten Werken einen überproportionalen Verdienst, der nicht mehr viel mit der erbrachten Leistung zu tun hat. Gleichzeitig wird es erschwert, dass diese Werke als Volksmusik in unsere Kultur eingehen, da ihre Nutzung beschränkt ist, statt als Allgemeingut jedem zur Verfügung zu stehen.

Das Wort "Industrie" ist hierbei wörtlich zu nehmen. Die Musikindustrie ist kein gemeinnütziger Verein, der die Interessen der Künster vertritt, auch wenn sie sich gerne so darstellt. Vielmehr ist sie hauptsächlich daran interessiert, mit den Werken der Künster möglichst viel Geld zu verdienen - und den Künstlern davon möglichst wenig abzugeben. Viele Künstler beklagen sich darüber, dass sie von den Gewinnen, die mit ihren Werken erreicht werden, kaum etwas sehen. Diese Musikindustrie ist zunehmend kartellartig organisiert. Natürlich ist diese Industrie bestrebt, ohne Rücksicht auf die Rechte von Verbrauchern möglichst viel Profit zu generieren. Zu diesem Zweck bedient sie sich selbstverständlich auch des Lobbyismus.

Dabei geraten die Rechte der Verbraucher leider zunehmend unter die Räder, denn im Gegensatz zur Rechteverwertungsindustrie haben Verbraucher keine mächtige Lobby, die die Interessen ununterbrochen und aggressiv an Politiker auf allen Ebenen heranträgt. Sie sind nicht in einem mächtigen internationalen Dachverband organisiert, und können nicht, nach dem Motto "wer am lautesten schreit hat Recht", öffentliche Aufmerksamkeit im Form von ganzseitigen Zeitungsanzeigen kaufen. Im Gegensatz zur Inhalteindustrie haben wir es aber auch nicht nötig, uns die öffentliche Meinung zu kaufen. Daher wird dieser offene Brief nicht in ganzseitigen bezahlten Zeitungsanzeigen, sondern auf zahlreichen privaten Websites veröffentlicht, deren Betreiber ihn mit unterzeichnet haben. Wir hoffen, dass dies als Erinnerung daran dient, dass Sie die Interessen des Volkes vertreten sollen. Auch wenn dazu selbstverständlich auch die Vertretung der Interessen von Künstlern und der Industrie gehört, bitten wir Sie, auch die Interessen der Nutzer zu berücksichtigen, denn leider hat die Strategie der Lobbyisten bisher zu gut funktioniert. Die bisherigen Gesetze spiegeln zu großen Teilen die Interessen der Verwertungsindustrie wieder.

Das Recht auf Privatkopie, welches lange Zeit einen wichtigen Teil des Urheberrechts bildete, wurde inzwischen faktisch abgeschafft, da viele Werke mit einem Kopierschutz ausgestattet sind und nicht kopiert werden dürfen. Verhalten, welches über Jahrzehnte anerkannt und rechtlich geschützt war, wurde nur auf Wunsch der Interessenvertreter aus den Reihen der Rechteverwerter plötzlich kriminalisiert. Dennoch kassieren die Verwertungsgesellschaften weiterhin Abgaben auf Geräte und Leermedien, was einen Ausgleich für das Recht auf Privatkopie darstellt. Den Konsumenten wird also das bereits bezahlte Recht vorenthalten, und der Staat sieht dieser Ungerechtigkeit nicht nur tatenlos zu, sondern macht diese Praxis erst durch entsprechende Gesetze möglich. Die im Urheberrecht vorgesehene Einschränkung der Vergütung, wenn Kopierschutzmaßnahmen auf entsprechende Inhalte angewendet werden, scheint in der Praxis nicht angewendet zu werden.

Die Abgaben machen dabei teilweise mehr als die Hälfte des Netto-Verkaufspreises von Geräten oder Leermedien aus, sodass die Verwertungsgesellschaften erhebliche Geldbeträge erhalten, obwohl viele der Geräte und Leermedien nicht für Privatkopien fremder urheberrechtlich geschützter Werke dienen, sondern zur Speicherung eigener Daten wie Fotos und Datensicherungen.

Darüber hinaus werden durch die Kopierschutzmaßnahmen auch zunehmend die Rechte und Möglichkeiten rechtschaffener Käufer eingeschränkt. Beim Kauf von Musik im Internet ist diese meist mit einem Kopierschutz (DRM) geschützt. Nicht nur, dass diese Musik dadurch vom Käufer nicht auf allen seinen Geräten nutzbar ist - wenn der Onlineshop, der die Musik verkaufte, schließt, kann es passieren, dass die gesamte gekaufte Musik plötzlich unbrauchbar wird, dem Käufer also willkürlich das bereits bezahlte Werk entzogen wird. Ebenso sind gekaufte CDs oft nicht problemlos in allen Abspielgeräten funktionsfähig, zudem installieren einige Kopierschutztechniken ohne Einverständnis des Benutzers teilweise schädliche Software auf dessen PC, um Kopien zu verhindern. Ein Kunde, der sich eine Original-CD kauft, kann "dank" des Urheberrechts in der Regel die darauf enthaltene Musik nicht legal auf seinen eigenes tragbares Abspielgerät kopieren, um sie bequem unterwegs hören zu können.

Wir fanden besonders interessant, dass die Künstler in dem offenen Brief des Bundesverbandes Musikindustrie die Entstehung von MP3-Playern und Breitbandanschlüssen als ihren eigenen Verdienst feierten, obwohl sie sogar selbst zugeben, dass der Siegeszug der Breitbandanschlüsse primär auf illegale Kopien zurückzuführen ist. Warum nun ein starkes Urheberrecht solche Technologien fördern soll, entzieht sich daher unserem Verständnis - vielmehr gehen wir davon aus, dass durch ein "starkes" Urheberrecht im Sinne der Verwerterindustrie sowohl technologischer wie auch kultureller Fortschritt behindert wird.

Bedenklich finden wir zudem, dass die Künstler das Vorgehen Frankreichs und England - dabei dürfte es sich um die Sperrung der Internetanschlüsse von Tauschbörsennutzern handeln - als "beispielhaft" loben. Dabei wurde "vergessen", dass das EU-Parlament, also eine demokratisch legitimierte Institution, sich erst vor wenigen Wochen explizit gegen solche Maßnahmen ausgesprochen hat.

Auf Druck der Interessenvertreter der Verwerterindustrie wurde die ursprünglich in der Urheberrechtsreform vorgesehene Bagatellklausel doch nicht eingeführt, die eine Kriminalisierung privater Nutzer (die sprichwörtliche "Kriminalisierung der Schulhöfe") verhindern sollte. Seit geraumer Zeit bildet insbesondere die Musikindustrie einen neuen Ableger, die Abmahnindustrie. Dabei wurden mit zweifelhaften Mitteln "Beweise" gesammelt, welche dann Staatsanwaltschaften vorgelegt und von diesen überraschenderweise vorbehaltlos akzeptiert wurden. Im Nachhinein stellte ich in einigen Fällen heraus, dass die "Beweise" schlichtweg falsch waren. Auch aus diesem Grund sind jegliche nicht von Gerichten beschlossene Sanktionsmaßnahmen gegen (angebliche) Tauschbörsennutzer strikt abzulehnen.

Die gesamte Praxis der Abmahnungen arbeitet zudem mit zweifelhaften Mitteln. Staatsanwaltschaften werden mit LKW-Ladungen voller Strafanzeigen blockiert und die Steuergelder aller Bürger so verschwendet. Zumindest bis vor Kurzem holten die Staatsanwaltschaften auf Kosten des Steuerzahlers beim Internetzugangsanbieter die Auskunft ein, welcher Nutzer zu einem bestimmten Zeitpunkt unter einer bestimmten IP-Adresse tätig war, obwohl von vorne herein feststand, dass das Strafverfahren eingestellt werden würde. Die Ermittlung der Daten diente ausschließlich dazu, dass die Rechteverwerter über die Akteneinsicht an die Anschrift des Verdächtigen kamen. Die Rechtmäßigkeit der Herausgabe solcher Informationen ist umstritten, dennoch haben die Staatsanwaltschaften jahrelang vorbehaltlos mitgemacht und so mit unseren Steuergeldern die zweifelhaften Abmahnaktionen der Rechteverwerter unterstützt. Erst in den letzten Monaten lehnten wiederholt Staatsanwälte und Gerichte die Herausgabe ab. Die Abmahnungen wurden zudem oft (rechtswidrig) mit überhöhten Kostennoten versehen, um den Schaden bei den Betroffenen zu erhöhen.

Das aktuell geforderte direkte Auskunftsrecht gegenüber Internetzugangsanbietern ist ein weiteres Beispiel dafür, wie für die Verfolgung eines vergleichsweise kleinen Deliktes auf Wunsch der Verwerterlobby selbst Grundrechte und rechtsstaatliche Prinzipien mit den Füßen getreten werden. Nicht nur, dass die Verwertungsindustrie es geschafft hat, gewissermaßen eine private Steuer auf bestimmte Güter durchzusetzen - sie ist auch bemüht, Rechte zu erlangen, die nur Strafverfolgungsbehörden und auch denen nur mit Einschränkungen eingeräumt werden dürfen.

Illegale Kopien sind sicherlich nicht im Sinne der Künstler und reduzieren unter Umständen auch deren Gewinne. Wären Privatkopien aber uneingeschränkt legal, so würde "gleiches Recht für alle gelten". Allerdings ist das nicht im Sinne der Firmen, die die Rechte für die großen und bekannten Künstler verwerten, und letztere sind auch die, die den erwähnten offenen Brief an Sie unterzeichnet haben[...VERIFY!...] Die oft als Argument eingesetzten "jungen Nachwuchstalente", sowie Künstler, die zum Beispiel nur lokal bekannt sind oder eine Musikrichtung spielen, die nur eine kleinere Anhängerschaft hat (Spartenmusiker), hingegen setzen darauf, ihre Kunden fair zu behandeln und tolerieren oft sogar die Verbreitung ihrer Werke in Tauschbörsen, da dies die Bekanntheit der Werke und in Folge dessen auch die Verkaufszahlen steigert. Diese Künstler leiden oft weniger unter unerlaubten Privatkopien, sondern unter den Rechteverwertern. So wird oft von Fällen berichtet, wo Musiker kaum oder gar nicht an den Erlösen des CD-Verkaufs beteiligt werden oder ihnen zustehende Vergütungen einfach nicht ausbezahlt werden. Außerdem wird der Markt so zum Nachteil der "Kleinen" verzerrt. Für bereits bekannte Künstler ist ein Konzert Werbung für zum Verkauf angebotene Aufnahmen, für unbekannte Künstler aber stellt sich das genau anders herum dar. Hier ist die aufgenommene Musik die Werbung für die "Dienstleistung" Konzert. Nachwuchskünstler haben es unserer Meinung nach daher - im Gegenteil zu den Behauptungen in dem offenen Brief des Bundesverbandes Musikindustrie - schwerer, wenn Urheberrechte weiter verschärft werden. Spartenmusiker und nur lokal bekannte Musiker können heute in der Regel schon nicht von ihrer Musik nennenswert profitieren und halten sich oft mit Musikuntericht oder Gelegenheitsjobs über Wasser.

Wenn Sie genauer betrachten, wer den offenen Brief der Künstler unterschrieben hat, wird Ihnen auffallen, dass es sich nahezu nur um schon bekanntere Künstler handelt, die von Firmen aus der Rechteverwertungsindustrie vertreten werden. [...!!!VERIFY!!!...] Unabhängige Künstler teilen diese Meinung oft nicht, wie Sie auch daran sehen können, dass viele solcher Künstler nicht den ursprünglichen, sondern diesen Brief unterzeichnet haben. [...Nur wenn sich viele Künstler finden...] Die Interessen der Nachwuchskünstler werden zwar oft als Argument vorgeschoben, um neue Vorteile für die Rechteverwerter zu erlangen, deren wirklichen Interessen entsprechen diese Behauptungen jedoch nicht. Der offene Brief des Bundesverbandes Musikindustrie ist populistisch formuliert, arbeitet mit unangemessenen Vergleichen und stellt falsche oder doch zumindest nicht beweisbare Thesen auf.

Frau Bundeskanzlerin, zeigen Sie, dass sie nicht auf die eigennützigen, platten und populistischen Behauptungen von Lobbyisten hereinfallen, sondern dass Sie daran interessiert sind, in Deutschland wieder eine Musikkultur möglich zu machen, die die Bezeichnung Kultur auch verdient.