Diskussion:Bundesparteitag 2010.1/Antragsfabrik/Zwangsmitgliedschaft in Kammern und Verbänden
Demokratie in der IHK
Gute Sache die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft! Es ist auch gut, das so zur Abstimmung zu stellen, sonst wird es zu kompliziert.
Allerdings möchte ich mit Blick in die Zukunft einige weitere Themen bezüglich IHK und HWK ansprechen. Denn nicht nur dir Pflichtmitgliedschaft ist undemokratisch:
- Wahlbeteiligung im Durchschnitt bei 10% (in Worten: zehn Prozent), In Berlin waren es zuletzt unter 5% (in Worten fünf Prozent). De facto ist somit jede IHK abgwählt.
- Nur drei von 80 IHKn veröffentlichen nach den Wahlen die Stimmenzahlen der Kandidaten. Alle anderen nennen einfach die Namen der (angeblich) gewählten.
- In den meisten IHKn bleibt sogar die Wahlbeteiligung geheim.
- Die Wahl ist nach Lesart der IHK eine Mehrheitswahl mit Wahlgruppen. Die Ausgestaltung der Wahlgruppen mit unproportionaler Zuteilung der Sitze vor (!) der Wahl führt jedoch zu einem Zensuswahlrecht oder Klassenwahlrecht.
- Wahlgleichheit ist wegen extrem ungleicher Erfolgschance der Stimmen nicht gegeben, obwohl sie in §1 jeder Wahlordnung garantiert ist.
- Die Zeitfenster und Bürokratie für Kandidaturen sind nicht kandidatenfreundlich.
- In vielen Wahlgruppen gibt es nicht mehr Kandidaten als Sitze. Auch dann sind keine NEIN-Stimmen möglich.
- Vor den Wahlen werden von Kandidaten nur Name, Lichtbild, Branche, Firmenadresse und ein "Motto" veröffentlicht. Ziele, Inhalte, Partei-und Verbändezugehörigkeiten bleiben unbekannt. So findet praktisch kein Wahlkampf statt.
- Die Vollversammlung wird durch Kooptation (=mittelbare Wahl) ergänzt. Es gibt Beispiele, dass abgewählte Kandidaten nachträglich kooptiert und zu Vizepräsidenten ernannt wurden.
- Die Auszählung geschieht durch Angestellte der IHK (die im Machtgefüge der IHK Partei sind).
- Die Aufsicht liegt bei einem nur 5-köpfigen Wahlausschuss, Kandidaten erfahren statt Stimmenzahlen lediglich, ob sie in die Vollversammlung gewählt wurden oder nicht.
- Jede IHK verlagert erhebliche Entscheidungskompetenzen in Vereine (DIHK e.V. und regionale Vereine) und ist dort idR. nur durch den Präsidenten und den Hauptgeschäftsführer vertreten. Das raubt der Vollversammlung vieles von der ohnehin geirngen Kontrolle.
- Die IHK greift regelmäßig parteipolitisch in Wahlkämpfe ein durch Podiumsdiskssionen (teilweise nicht öffentlich mit handverlesenem Publikum), durch angeblich neutrale Wahlprüfsteine und Pressemeldungen, die an Wahlkampfthemen entlang der FDP/CDU ausgerichtet sind.
- Es gibt viele IHKn die für ihre Vollversammlung eine schriftliche Voranmeldung verlangen, einen Antrag auf Öffentlichkeit erwarten oder generell nicht öffentlich abhalten.
- Protokolle der Vollversammlungen sind auf den Internetseiten nicht zu finden.
- Viele IHKn veröffentlichen nicht, wer in untergeordenten Gremien sitzt.
Der Ausflug in die IHK Demokratie ist recht lang geraten, aber dafür ist er einigermassen vollständig. Neben der Zwangsmitgliedschaft und den Demokratiedefiziten gibt es noch weitere interessante Themen. Diese beleuchte ich gerne auf Anfrage. Hier nun einige plausible Forderungen, nach Wichtigkeit:
- Abschaffung der Wahlgruppen und der Kooptation.
- Auszählung durch Unternehmensvertreter.
- Recht der Kandidaten die Auszählung zu prüfen oder anwesend zu sein.
- Veröffentlichung der Stimmenzahlen aller Kandidaten, wie es demokratische Tradition ist
- Die Vollversammlung muss öffentlich Tagen und Ort und zeit frühzeitig bekannt machen
- Werbung an alle Mitglieder zur Kandidatur
- Plattform zur Veröffentlichung der Ziele und Verbands-/Parteizugehörigkeit der Kandidaten. Ein Wahlkampf führt zu mehr Wahlbeteiligung und mehr Transaprenz.
- Die IHK sollte bei Bundes-, Landes- und Kommunalwahlen neutral bleiben, noch besser stumm.
- Die IHK sollte zu wirtschaftsfernen, allgemeinpolitischen Themen schweigen (was übrigens bereits in Gerichtsurteilen entschieden wurde).
Punkt eins ist ohne Alternative, die Punkte 2-5 sind wichtig und eigentlich selbstverständlich. 6 und 7 sind wichtig aber vielleicht zu detailliert für ein Wahlprogramm. 8 und 9 könnten die Piraten mittels gerichtsverfahren auch ohne regierungsbeteiligung durchsetzen - allein schon aus Eigeninteresse und weil diese Schlacht leicht zu gewinnen ist.
Ganz so einfach ist es nicht. Wer klagt muss persönlich betroffen/geschädigt sein. Als Partei kann man nicht so einfach "in der Gegend herumklagen". Wenn die IHK "Wahlempfehlungen" gibt so ist das möglicherweise ein Fall für die Landeswahlleiter. Eine Klage wird bis zur Entscheidung lange nach der Wahl brauchen.
Alle diese Punkte werden mit einem Schlag gegenstandslos wenn die Zwangsmitgliedschaft aufgehoben wird und die Kämmerlinge den Mitgliedern gegenüber ihr Handeln verantworten müssen. Sollten die Kammern dann Dinge machen die den Mitgliedern nicht schmecken wird die Führungsriege schnell in die Wüste geschickt oder der Verband versinkt mangels Mitglieder in der Bedeutungslosigkeit. --Teletubbie 22:43, 13. Apr. 2010 (CEST)
- Zumindest, wenn andere Parteien bevorzugt werden, sind die Piraten tatsächlich betroffen. Auf jeden Fall aber wären einzelne IHK Zugehörige betroffen, die Mitglied bei den Piraten sind, wenn die IHK in deren Namen parteipolitisch Stimmung für andere Parteien macht (zB. FDP/CDU) oder Podiumsdiskussionen organisiert, die auch als Spendensammelveransaltung dienen.
- Die Zwangsmitgliedschaft greift, auch nach Meinung des BVG tief in die Grundrechte ein. Aus irgendwelchen Abwägungen (die den Formulierungen nach den IHK Prospekten entpringen), ist das BVG der Ansicht, es sei eine Verhältnismäßigkeit gewahrt und der Eingriff in die Grundrechte darum rechtens. So lange die Zwangsmitgliedschaft noch besteht, ist die IHK also auf besondere Unparteilichkeit gegenüber allen Mitgliedern verpflichtet. Das ist nicht nur eine moralische Verpflichtung, sondern sie folgt unmittelbar der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Grundrechte (hat also quasi Verfassungsrang).--Ihkalo 11:22, 15. Apr. 2010 (CEST)
Handelsrichter
Es lassen sich nicht alle Probleme durch Aufhebung der Pflichtmitgliedschaft heilen, Beispiel: Handelsrichter. Normalerweise werden Richter allein durch demokratische Einrichtungen berufen. Handelsrichter müssen die sich erstmal bei der IHK bewerben und sich dann persönlich bei der IHK vorstellen. Wenn die auf Eignung erkennt schlägt sie den Handelsrichter vor, sonst nicht. Es gibt also keinen Handelsrichter, der nicht durch die IHK vorgeschlagen wurde ("Handelsrichter IHK"). Wer möchte vor einem Gericht landen, in dem so schwach legitimierte Richter sitzen? Vielleicht noch in der Auseinandersetzung mit einem IHK Funktionär?--Ihkalo 11:25, 15. Apr. 2010 (CEST)
Sachverständige
Die IHK bestimmt wer Sachverständiger werden kann. Diese sind verantwortlich für den Ausgang von Gerichtsprozessen und viele andere Aufgaben. Wer möchte das in den Händen einer Organisation wissen, deren Wahlen intransparent sind und in vielen Punkten demokratischen Grundanforderungen widersprechen?--Ihkalo 11:41, 15. Apr. 2010 (CEST)
Prüfungsmonopol & Wettbewerb
Die IHK hat in vielen Aus- und Fortbildungsbereichen Bereichen das Prüfungsmonopol inne. Das ermächtigt sie bei Bildungsinstituten und freien Schulungsanbietern Einblick in die Lehrinhalte zu nehmen (auch gegen deren Willen!). Zugleich tritt die IHK am Weiterbildungsmarkt als Wettbewerber auf. Ferner bietet sie kostenlose Beratungen an, die durch gute Verzahnung zur Presse und zur ARGE als neutrale Anlaufstelle wahrgenommen werden. Ihre "Markt"-Position baut die IHK in vielen Regionen durch Veranstaltung von Aus- und Weiterbildungsmessen aus. Diese gesetzlichen und strukturellen Vorteile enden nicht mit Aufhebung der Zwangsmitgliedschaft. --Ihkalo 11:42, 15. Apr. 2010 (CEST)
"allgemeinpolitisches Mandat" existiert nicht
Vielfach mischen sich IHK Präsidenten und hauptgeschäftsführer unmittelbar in Parteipolitik ein. Dabei gibt es nicht selten Angriffe gegen Politiker, Parteiprogramme und sogar Wählerschelte. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Urteil die IHK dazu verdonnert stets höchstmögliche Objektivität, notwendige Sachlichkeit und Zurückhaltung zu wahren. Das durch Gesetz und Satzung vorgegebene Verfahren muss eingehalten werden. Dazu zählt die Ermittlung des Gesamtinteresses durch die Vollversammlung. Eingriff in die Wahkkämpfe sollten dadurch ein für allemal ausgeschlossen sein. (Zum Beispiel Podiumsdiskussionen unter Ausschluss der Piraten oder parteiliche "Wahlprüfsteine".) Quelle: [1]
Datenmissbrauch
Die IHK erhebt Daten ihrer Zwangsmitglieder. Auch private Adresse, diebesonders geschützt sein sollten. Rund die Hälfte der Zwangsmitglieder sind kleingewerbetreibende, deren Betriebsadresse gleich der Wohnaadresse ist. Die IHK treibt Handel mit diesen Adressen.
Steuergeheimnis für Gewerbetreibende nicht existent
Das Finanzamt gibt einer zentralen IHK-Firma Auskunft über den Gewinn eines Gewerbebetriebes. Daraus wird der Beitrag berechnet. Bessere Lösung: Das Finanzamt könnte den Beitrag eintreiben. Keine IHK hat eine veröffentlichte Policy zum Umgang mit diesen Daten. Der Gewinn von Gewerbetrebenden wird auf der Rechnung ausgewiesen. Es kommt vor, dass Versicherungsvertreter in der gleichen Woche des Rechnungsversandes anrufen. Vermutlich kennt nicht nur jede IHK-Sekretärin, sondern auch die verbundene Druckerei persönliche Steuerdaten, die für nicht gewerbetrebende in Deutschland vertralich behandelt werden.