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“Die Übergewichts-Epidemie” - Wie viel Einflussmöglichkeiten hat die Politik?

Adipositas, definiert als ein Übergewicht mit BMI >30 kg/m², ist in den letzten 30 Jahren zum weltweiten Problem geworden. Aktuell sind ca. 23,9 % (1) der Erwachsenen in Deutschland adipös. Besonders hervorzuheben ist die Zunahme von Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen. 15% aller Kinder und Jugendlichen zwischen 3 und 17 gelten als übergewichtig und 6,3% als adipös (>97. Perzentil der Alterskategorie)(2). Entsprechend diesen Entwicklungen, sowie Prognosen, die eine weitere Zunahme der Adipositas-Prävalenz auf über 50% bis 2050 nahe legen, wurde Adipositas 2011 von der WHO als “globale Epidemie” erkannt und dringender Handlungsbedarf festgestellt.

Problematisch ist nicht die Adipositas per se, sondern die damit verbundenen Folgeerkrankungen. Die Assoziation zwischen Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Herzinfarkt, Schlaganfall), orthopädischen Problemen (Kniearthrose, Rückenbeschwerden) und Diabetes mellitus Typ 2 ist lange bekannt. Neue Daten (3) zeigen auch, dass Adipositas einen signifikanten Risikofaktor für diverse Krebsarten darstellt.

Nebst den Problemen auf der individuellen Patientenebene kommen dadurch auch erhebliche Kosten für das Gesundheitssystem auf. Adipöse Menschen verursachen 30% mehr Gesundheitsausgaben als Normalgewichtige, sodass bis 2,8% des gesamten Gesundheitsbudgets eines Landes auf Adipositas zurückzuführen sind (4). Desweiteren steigt mit zunehmendem Übergewicht auch die Anzahl an Fehltagen von Arbeitnehmern, was auch ökonomische Auswirkungen hat.

Die Evidenz zu den Therapie-/Interventionsmöglichkeiten ist ernüchternd. Die Wirkung und vor allem der Langzeiteffekt von Ernährungsumstellung und Bewegungsprogrammen für Adipöse fällt sehr moderat aus, vermutlich da es oft an der Compliance der Patienten scheitert. Chirurgische Maßnahmen, wie die Magenverkleinerung, bewirken im Vergleich eine deutliche Gewichtsreduktion (5), sind aber deutlich teurer und komplikationsreicher.

Adipositas wird von Forschern immer weniger als individual-verschuldetes Problem, als vielmehr eine normale Reaktion auf ein sogenanntes “obesogenic environment” (Boyd Swinburn) gesehen. Daher sollte man den Fokus viel mehr auf die Suche nach politischen Ansatzpunkten für Prävention und Intervention legen, mit denen man die Gesamtbevölkerung erreicht. Zwei gut erforschte Modelle in diesem Zusammenhang sind die Lebensmittelampel und die “junk food”-Steuer, die sich beide als effektiv und kostensparend erwiesen haben (6). Ein gesondertes Augenmerk sollte man zudem auf Präventionsmaßnahmen für Kinder legen. Ein mögliches Interventionsziel ist dabei die Begrenzung von auf Kinder als Zielgruppe zugeschnittener Fast-Food-Werbung (7). Da vor allem bei Kindern Übergewicht und Adipositas deutlich mit einem geringen sozialen Status und Bildungsgrad der Eltern korrelieren (8), sind auch familiäre Interventionsprogramme ein wichtiger Ansatzpunkt.

Quellen

1)Dtsch Arztebl Int 2008; 105(48): 827-33; DOI: 10.3238/arztebl.2008.0827 Overweight, Obesity and High Waist Circumference – Regional Differences in Prevalence in Primary Medical Care Hauner, H; Bramlage, P; Lösch, C; Schunkert, H; Wasem, J; Jöckel, K; Moebus, S

2) Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2007 May-Jun;50(5-6):736-43. [The prevalence of overweight and obese children and adolescents living in Germany. Results of the German Health Interview and Examination Survey for Children and Adolescents (KiGGS)]. Kurth BM, Schaffrath Rosario A.

3) Lancet. 2008 Feb 16;371(9612):569-78. doi: 10.1016/S0140-6736(08)60269-X. Body-mass index and incidence of cancer: a systematic review and meta-analysis of prospective observational studies. Renehan AG, Tyson M, Egger M, Heller RF, Zwahlen M.

4) Obes Rev. 2011 Feb;12(2):131-41. doi: 10.1111/j.1467-789X.2009.00712.x. The economic burden of obesity worldwide: a systematic review of the direct costs of obesity. Withrow D, Alter DA.

5) JAMA. 2012 Sep 19;308(11):1142-9. Surgical vs conventional therapy for weight loss treatment of obstructive sleep apnea: a randomized controlled trial. Dixon JB, Schachter LM, O'Brien PE, Jones K, Grima M, Lambert G, Brown W, Bailey M, Naughton MT.

6) Int J Obes (Lond). 2011 Jul;35(7):1001-9. doi: 10.1038/ijo.2010.228. Epub 2010 Nov 16. 'Traffic-light' nutrition labelling and 'junk-food' tax: a modelled comparison of cost-effectiveness for obesity prevention. Sacks G, Veerman JL, Moodie M, Swinburn B.

7) Obes Rev. 2005 Aug;6(3):203-8. Evidence of a possible link between obesogenic food advertising and child overweight. Lobstein T, Dibb S.

8)Int J Obes (Lond). 2005 Apr;29(4):373-80. Social class, parental education, and obesity prevalence in a study of six-year-old children in Germany. Lamerz A, Kuepper-Nybelen J, Wehle C, Bruning N, Trost-Brinkhues G, Brenner H, Hebebrand J, Herpertz-Dahlmann B.