Benutzer:Techpriester/Abschiedserklärung

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Dies ist eine Kopie der Erklärung, die ich am 31.05.2010 über die Mailinglisten herausgegeben habe. --Techpriester 18:05, 31. Mai 2010 (CEST)

Am besten, ich rede gleich mal Klartext und erkläre danach:Mit sofortiger Wirkung trete ich von meinem Posten als Vorstandvorsitzender des Kreisverbandes Chemnitz der Piratenpartei zurück und beende gleichzeitig auch meine Mitgliedschaft in der Partei.

Nun zur Erklärung:

Ich habe diesen Schritt bereits viel zu lange vor mir her geschoben. Wie manchen bereits aufgefallen ist, hört man von mir in letzter Zeit ziemlich wenig und das hat mehrere Gründe:


 1. Keine Zeit

Die letzten Wochen und Monate waren geprägt von Prüfungen, Arbeit, noch mehr Arbeit, Jobsuche und der Vorbereitung auf den baldigen Ortswechsel. Es blieb einfach keine Zeit, mich um die Parteiarbeit zu kümmern, was ich sehr bedauere, aber irgendwann muss ein Mensch auch noch die Zeit zum Essen und Schlafen finden. Ich habe permanent das Gefühl, nicht genug für die Partei zu tun und meinem Posten in keiner Weise gerecht zu werden, andererseits habe ich keine freien Kapazitäten mehr, um dem Entgegen zu wirken. Diesen Zustand kann ich nicht länger hinnehmen.

 2. Absehbarer Abschied

Bereits bei meiner Wahl war bekannt, dass ich wahrscheinlich nicht bis zum Ende der "Amtszeit" zur Verfügung stehen werde. Im Sommer diesen Jahres werde ich Chemnitz verlassen und damit auch den Kreisverband. Um diese Ablösung nicht unnötig zu komplizieren, möchte ich mich so kurz vor dem Ende nicht mehr all zu sehr in Projekten einbinden. Ich möchte einfach kein Vakuum hinterlassen, wenn ich dann definitiv gehe.

 3. Entwicklung der Partei

Ich bin vor ca. einem Jahr den Piraten beigetreten. Damals sah ich in der Partei einen Weg, die politischen Dinge Ziele, die mir wichtig sind, zu unterstützen und die entsprechenden Themen ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen. Im großen und ganzen ist das auch ganz gut gelungen. Immerhin wird nun über Zensur, Schnüffelstaat und das Ökosystem des Netzes geredet. Inzwischen schlägt die Piratenpartei allerdings einen Weg ein, auf dem ich sie nicht länger begleiten kann. Es geht nicht mehr nur um das Übermitteln einer Botschaft. Es geht um Wählerstimmen und darum, zur "Vollpartei" mit umfangreichem Programm zu werden. Diese Bestrebungen kann und will ich nicht unterstützen. Ich bin der Piratenpartei beigetreten, gerade weil sie nur eine Nische ausgefüllt hat und sich im Gegensatz zu den meisten "Großen" eben nicht mit Themen befasst hat, von denen sie schlicht keine Ahnung hatte. Die thematische Abgrenzung gegenüber den Volksparteien und die konsequente Spezialisierung waren für mich zwei der größten Vorteile der Piraten. Es ist nicht so, dass ich diese Tendenz für generell schlecht halte. Ich fühle mich nur nicht mehr persönlich damit verbunden.

 4. Organisation zum Selbstzweck

Im vergangen Jahr war die Piratenpartei ein kleiner Haufen begeisterter Leute, die Erstaunliches bewirkt haben. Wir haben kräftig am politischen Status Quo gerüttelt und viele Leute dabei aufgeweckt und das alles, ohne ausgefeilte Organisationsstrukturen, bewaffnet nur mit einem Wiki und Mailinglisten. Inzwischen organisiert sich die Partei meiner Ansicht nach selbst zu Tode. Das Debakel des BPT2010.1 zeigt dies nur zu deutlich. Weitergebracht haben uns die Debatten um AGs/Crews/Verbände/etc. jedoch kein Stück. Sie haben statt dessen nur wertvolles Potenzial gebunden, mit dem wir Sinnvolleres hätten anfangen können. Rückblickend muss ich auch sagen, dass ich die frühe Gründung von Kreisverbänden (oder anderen Strukturen unterhalb der Landesverbände) eher als hinderlich empfinde. Viele der wenigen wirklich aktiven Piraten sind nun mit der Arbeit in Vorständen beschäftigt und die Basis wird zunehmend inaktiv. Jedenfalls ist das der Eindruck, der sich mir bietet. Ich sehe in diesem immer weiter erstarrenden Konstrukt einfach nicht mehr die Gelegenheit, wirklich vorwärts zu kommen.

 5. Die Genderdebatte

Nichts anderes in meiner Zeit als Pirat hat mich mehr enttäuscht und aufgeregt, als dieses unsägliche Theater und daher hat es gesonderte Erwähnung verdient. Mir hat der Gedanke sehr Gefallen, dass unter Piraten das Geschlecht zu Beginn keinerlei Rolle spielte und ich hatte auch immer den Eindruck, dass diese Philosophie von den Meisten auch wirklich gelebt wurde. Die ganze Diskussion, ob wir nun Piraten mit oder ohne "-Innen" sind, stellt für mich einen immensen Rückschritt dar und zeigt mir, dass doch deutlich weniger Fortschrittsgeist in der Partei steckt, als zunächst angenommen.

 6. Trolle

Ja, ich weiß. Trolle gibt es überall, also auch hier. Das ist jedoch eine Entschuldigung, die ich nicht bereit bin zu akzeptieren. Wenn ein Missstand damit gerechtfertigt wird, dass "es ja überall so sei", ist eine Besserung nicht möglich. Für eine Bewegung, in der eigentlich gemeinsame Ziele und Motive der Antrieb sein sollten, wird in der Piratenpartei den Trollen zu viel Futter gegeben. Immer wieder gelingt es einzelnen Personen über ausgedehnte Zeiträume, jeden Fortschritt durch sinnlose Flamewars zu unterbinden und statt irgendwann aus diesen Erfahrungen zu lernen, wird diesen Leuten immer wieder eine Plattform gegeben. Wie wollen wir denn bitte die Gesellschaft zum besseren ändern, wenn wir selbst als Gruppe nicht einmal fähig sind, uns wie Erwachsene Menschen zu verhalten. Die Tatsache, dass das Netz voll von Trollen ist, sollte doch dazu ermutigen, es anders zu machen und nicht als Rechtfertigung dienen, die gleichen Fehler zu wiederholen.

 7. Dünnes Fell

Mir wurde mal gesagt, dass man für die Arbeit in irgendeiner politischen Organisation ein dickes Fell benötigt. Das trifft auf die Piratenpartei im Besonderen zu (siehe Punkt 6). Ich muss eingestehen, dass "dickes Fell" eine Eigenschaft ist ,die mir schlicht fehlt. Ich habe zu den Ideen deretwegen ich der Partei beigetreten bin, ein sehr persönliches Verhältnis und dementsprechend nahe gehen mir diese Dinge. Als Pirat steckt man eine Menge Schläge ein und jeder hat sein persönliches Maß, wie oft er z.B. die Beschimpfungen als Kinderschänder wegstecken kann. Dieses Maß ist bei mir mehr als voll, und ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich irgendwann die Fassung verliere, wenn wieder mal jemand mit solchen Vorwürfen ankommt. So weit will ich es nicht kommen lassen.

 8. Motivation

Etwas seit Beginn diesen Jahres verspüre ich eine stetig sinkende Motivation meinerseits. Ich werde den Eindruck nicht los, dass wir inzwischen rein gar nichts mehr bewegen, auch uns selbst nicht. Ich habe nicht länger das Gefühl, dass investierter Aufwand Früchte trägt und meine Motivation ist dem entsprechend im Keller angekommen. Das mag ein subjektiver Eindruck sein, aber Motivation ist nun mal eine subjektive Sache. Bitte versteht mich nicht falsch, ich halte die Piratenpartei weiterhin für sinnvoll und sie stellt für mich auch immer noch die erste Wahl auf dem Stimmzettel dar. Ich selbst allerdings habe kein Interesse daran, Wählerstimmen zu gewinnen, sondern daran, die Ideen, die mir wichtig sind, voran zu bringen und glaube, dass ich in dieser Richtung auf andere Weise wesentlich mehr erreichen kann, als durch die Arbeit in der Partei.

 Auf wiedersehen ...

Weiterhin glaube ich, dass mein Abschied, da ich in letzter Zeit ohnehin kaum die Möglichkeit hatte, mich aktiv einzubringen, keinen großen Verlust darstellen wird. Wenn ich mir das aktuelle Treiben so ansehe, denke ich, dass das auch ohne mich gut weiter gehen wird.

Ich hoffe, ich konnte meine Gründe halbwegs nachvollziehbar darlegen. Es tut mir Leid, falls ich mit diesem Schritt jemanden enttäusche. Bitte last euch davon nicht demotivieren. Es sind wirklich größtenteils persönliche Gründe, die mich dazu bewegt haben und ich würde es sehr begrüßen, wenn die Piraten als parteipolitischer Arm der Freiheitsliebenden dieses Landes wieder eine klare Linie findet und in Zukunft an den Erfolg von 2009 anknüpfen kann.

Auf eine öffentliche Diskussion hierzu werde ich mich nicht einlassen. Diesen Text hier zu verfassen, war schwer genug. Wer Fragen an mich hat, möge sie bitte direkt an mich richten. Ich werde mich bestimmt auch weiterhin bei den Stammtischen und anderen Anlässen sehen lassen, wenn es der Kalender zulässt.

Macht's gut. Es war auf jeden Fall eine hochinteressante Zeit mit euch und ich gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge.

PS: Wie mein Rücktritt innerhalb des Chemnitzer Vorstandes abgewickelt wird werde ich mit den anderen Vorstandsmitgliedern klären.