Benutzer:Rainer Klute/Politikfelder besetzen

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Das Problem

Man wirft der Piratenpartei ja vor, eine Ein-Themen-Partei zu sein. Ob das nun inhaltlich stimmt oder nicht, brauchen wir hier nicht zu diskutieren. Denn Fakt ist: Viele sehen uns so. Und immer wieder hört man in Gesprächen, daß Leute die Piratenpartei grundsätzlich gut und interessant finden, sie aber nicht wählen, weil man mit einem derart eingeschränkten Programm kein Land regieren könne.

Daher ist es wichtig, auch andere Politikfelder zu besetzen. Im Moment ist allerdings Bundestagswahlkampf angesagt. Wir können keine abgestimmten Konzepte oder ausgefeilte Inhalte präsentieren, und wir können uns auch nicht als Experten für Wirtschaft, Verkehr oder Verteidigung ausweisen.

Dennoch können wir etwas tun, was uns sehr wenig Aufwand kostet, nämlich

  1. öffentlichkeitswirksam ankündigen, daß wir auch weitere Politikfelder besetzen wollen, dadurch
  2. die Piratenpartei bekannter und wählbarer machen und hoffentlich
  3. die Stimmen von Wählern gewinnen, die darin eine Perspektive sehen – letzteres idealerweise in den nächsten Wochen bis zur Bundestagswahl und mittelfristig bis 2013 sowieso.

Im Idealfall sind das gerade die Stimmen, die uns über die 5-Prozent-Hürde hieven.


Das Grundmuster

Es gibt in der Piratenpartei ein Grundmuster, das meines Erachtens wesentlich zum Erfolg beigetragen hat. Dies sind die Experten in Sachen Grundrechte und Internet die sich bedingt durch die Unzufriedenheit mit der aktuellen Situation zusammengefunden haben und sich argumentativ-sachlich mit Gesetzesvorhaben usw. auseinandersetzen.

Kennzeichnend für die Piratenpartei sind diese zwei Faktoren:

  • Hohe fachliche Kompetenz
  • Sachbezogene Arbeit


Die Übertragung des Grundmusters

Das oben beschriebene Prinzip von Kompetenz und Sachbezogenheit können wir auch in anderen Themenbereichen anwenden. Beispielsweise gibt es im Gesundheitswesen oder in der Wirtschaft viele Leute, die zum einen unzufrieden sind mit dem, was alles falsch läuft, und zum anderen Experten auf ihrem jeweiligen Gebiet sind.

Nun sollen aber etwa die Ärzte nicht ihre eigene Partei gründen. Warum nicht? Nehmen wir an, sie kämen bei Wahlen auf 3 Prozent – nicht genug, um ins Parlament zu gelangen und etwas zu ändern. Nehmen wir weiter an, die Piratenpartei mit ihrer jetzigen Ausrichtung käme ebenfalls auf 3 Prozent und käme ebenfalls nicht ins Parlament.

Es ist daher sinnvoll, die Ärzte mit in das Piratenboot zu holen, sofern sie willens sind sachbezogen zu arbeiten. Dazu gehört auch, nicht nur die eigenen Interessen im Blick zu haben, sondern auch das Gemeinwohl. In der Piratenpartei brauchten sie ihren Frust nicht länger in sich hineinzufressen und ohnmächtig mit anzusehen, was »die da oben« verzapfen, sondern könnten sich organisieren und vernünftige, praktikable Gegenvorschläge entwickeln. Sie könnten klarmachen zum Ändern.

Beim Wähler wird das gut ankommen. Bleiben wir beim Gesundheitswesen: Hier ärgert sich doch jeder: als Arzt über die ausufernde Bürokratie und die Reglementierungen, die ihn von seiner Arbeit abhalten, als Patient über die Praxisbeiträge, Zuzahlungen, steigenden Krankenkassenbeiträge und den Moloch von Gesundheitsfonds. Wenn wir vermitteln können, daß kompetente Leute aus der Praxis an Lösungen für die Praxis arbeiten, werden viele die Piratenpartei wählen und dadurch mithelfen, daß die erarbeiteten Lösungen umgesetzt werden und keine Papiertiger bleiben.

Entsprechend läßt sich das Grundmuster von Kompetenz und Sachbezogenheit in anderen Bereichen anwenden.


Die Konkretisierung

Was heißt das konkret?

Die Zeit bis zur Bundestagswahl 2009

Bis zur Bundestagswahl 2009 haben wir keine Kapazität, um neue Themenfelder zu beackern. Wir werden aber künftig nicht darum herumkommen, dies zu tun (siehe unten).

Eines können wir aber mit relativ geringem Aufwand erreichen: Wir können den Menschen vermitteln,

  • daß wir vorhaben, uns mit weiteren Themen zu befassen und
  • welches Prinzip dem zugrundeliegt – nämlich das oben erläuterte.

Wir können ebenfalls vermitteln, daß wir noch nicht festgelegt haben, wie wir konkret dabei vorgehen werden. Denn dafür haben wir jetzt keine Zeit.

Wesentlich ist das Signal: »Leute, wir haben definitiv vor, uns mit weiteren politischen Themen zu befassen. Damit beginnen wir nach der Bundestagswahl.«

Das wird viele davon überzeugen, daß die Piratenpartei definitiv keine Ein-Themen-Partei ist. Sie werden verstehen, daß wir also junge Partei bislang nicht in der Lage sind, zusätzliche Themen anzugehen. Unser Grundmuster wird ihnen einleuchten, weil es vernünftig und praxistauglich ist. Das bringt Stimmen.

Die Zeit von der Bundestagswahl 2009 bis zur Bundestagswahl 2013

In diesen vier Jahren haben wir Gelegenheit, unsere Absichten in die Tat umzusetzen – zumindest teilweise. Dabei beobachtet uns online und offline eine Öffentlichkeit, die uns seit der Bundestagswahl 2009 wahrnimmt.

Was können wir konkret tun?

  • Wir diskutieren und entscheiden, wie wir vorgehen wollen, um neue Politikfelder in Angriff zu nehmen. Im folgenden mein Vorschlag, über den man sicher diskutieren kann, und für den ich nicht den Anspruch erhebe, der Weisheit letzter Schluß zu sein.
  • Wir stellen eine Rangfolge der Themen auf, die die Menschen bewegen. Dazu gilt es, Umfragen zu recherchieren. Wir gehen die Themen möglichst in dieser Reihenfolge an.
  • Wir laden Fachleute aus den wichtigsten Themengebieten zu Expertenrunden ein.
  • Jeweils ein Piratenteam organisiert und moderiert eine Veranstaltung.
  • Was haben die Piraten den Experten zu bieten? Was könnte die Fachleute motivieren, dabei zu sein? Nein, Geld gibt es nicht. Aber die Chance, etwas zu verändern. Die Chance, gute Ideen zu verwirklichen. Je mehr Einfluß Piraten in den Parlamenten haben, desto eher werden praxisgerechte Lösungen tatsächlich umgesetzt. Das dürfte eine hohe Motivation sein.

Die Zeit nach der Bundestagswahl 2013

Hier werden wir in der (Mit-)Verantwortung für Deutschland stehen. Wir werden nach unseren Konzepten und Ideen gefragt werden. 2013 müssen wir bereit sein.


Die Herausforderungen

  • In Sachen Internet bzw. WWW 2.0 bzw. webbasierte Zusammenarbeit sind die oben genannten Experten nicht alle so gut drauf wie wir. Da müssen wir eine Menge Hilfestellung leisten, um sie fitzumachen. Ziel ist eine gute Vernetzung der Experten, damit die Arbeit nicht auf physische Treffen beschränkt sind.
  • Wie erreichen wir die Experten? Artikel in Fachzeitschriften sind sicher ein Weg. Was geht noch?
    • Gerade eine relativ spontane Idee: Wir müssten zu Fachveranstaltungen wie den Bundesärztetag, zu den Gewerkschaften gehen und uns deren Probleme stellen und eine Position versuchen zu erstellen und im Laufe der Zeit zu versuchen, dass wir Redner-Positionen als Partei bei solchen Veranstaltungen bekommen.


Die Widersprüche

Von einigen Piraten höre ich Widersprüche zu den obigen Thesen. Die Piratenpartei konzentriere sich ganz bewußt auf ihre im Parteiprogramm genannten Themen und dabei bleibe es auch. Es gebe immerhin auch einen entsprechenden Beschluß des Bundesparteitags 2009.

Dazu folgendes: An dem Tag, an dem ich dies schreibe (2009-08-05), startet Xing sein Wahlbarometer – zunächst ohne Piratenpartei, aber mit einem Riesenvorsprung für die »Sonstigen«. Das ist natürlich nicht repräsentativ. Aber es ist ein Indiz für einen Trend. Ich weiß nicht, welches Wahlergebnis ihr für die Piratenpartei bei der Bundestagswahl 2009 erwartet, aber womit rechnet ihr eigentlich bei der Bundestagswahl 2013? 3 Prozent? 8 Prozent? 35 Prozent? 53 Prozent?

Wenn der Trend zur Piratenpartei, den wir online längst beobachten können, auch offline wirksam wird, wenn dieser Trend die nächsten vier Jahre trägt, wenn die 14- bis 17-Jährigen 2013 wählen dürfen, dann werden wir in vier Jahren ein sensationelles Ergebnis einfahren.

Unser Wahlergebnis 2009 wird viele Menschen auf uns aufmerksam werden, egal, ob wir nun über oder unter 5 Prozent liegen werden. Die Menschen werden uns zugleich hoffnungsvoll und kritisch beobachten. Hoffnungsvoll, weil sie die Chance sehen, daß nicht nur Machtstreben und Parteiendünkel die Politik bestimmen. Kritisch, weil es sein könnte, daß die Piratenpartei die Sache doch nicht auf die Reihe kriegt, zuviel falsch macht oder schlicht überfordert ist. Wir werden vier Jahre lang Zeit haben. Vier Jahre, in denen wir selbst darüber entscheiden, ob die Piratenpartei nach 2013 in Deutschland eine signifikante Rolle spielen wird oder nicht.

Heute setzen viele Menschen ihre Hoffnung auf die Piratenpartei, wenn sie uns in Online-Abstimmungen wählen oder »gut finden«. Nehmen wir diese Menschen ernst? Nehmen wir ihre Hoffnungen und Wünsche ernst? Klar, wir versprechen ihnen einen transparenten Staat und freien Zugang zur Bildung. Aber was ist mit den Arbeitsplätzen oder einem bezahlbaren Gesundheitssystem? Was mit Afghanistan, Verkehr oder Kernkraft? Wenn wir 2013 nicht in der Bedeutungslosigkeit verschwinden sollen, müssen wir den Menschen bis dahin glaubhaft machen, daß wir anders als die Etablierten in der Lage sind, uns *sachorientiert* mit Themen zu befassen und ohne ideologische Scheuklappen *pragmatische* Lösungen anstreben.

Extrembeispiel Xing-Wahlbarometer: Am heutigen Nachmittag liegt die Partei »Sonstige«  bei über 80 Prozent und alle anderen Parteien unter 5 Prozent. Versucht mal, euch das nur einen Moment lang als Wahlausgang 2013 vorzustellen! Habt ihr's? Alle Bundestagsmandate für die Piratenpartei! Und dann sage mir bitte nochmal einer, wir sollten von anderen Politikfeldern die Finger lassen!

Gut, ein solches Ergebnis wäre nun wirklich extrem. Aber sobald wir einen wesentlichen Teil der Abgeordneten stellen, haben wir nicht mehr die Wahl, ob wir uns mit weiteren Politikfeldern beschäftigen wollen oder nicht. Wer gewählt wird, trägt Verantwortung. Wer Verantwortung ablehnt, wird nicht gewählt.

Die paar Jahre, die wir bis 2013 haben, müssen wir gut nutzen, um uns vorzubereiten. Und wir müssen den Menschen davon erzählen, daß wir das tun.