AG Öffentlichkeitsarbeit/Ideensammlung/Reallife-Öffentlichkeitsarbeit

Öffentlichkeitsarbeit im "Real Life"

Ausgehend von dieser Diskussion im Forum und meinem Beitrag darin schlage ich eine Verbesserung bzw. Intensivierung der Öffentlichkeitsarbeit im Alltag und auf den Straßen vor.

Dafür sprechen mehrere Gründe:

  • So werden nicht nur digital natives erreicht, sondern auch andere Gruppen.

Passiert die PR und der Wahlkampf fast ausschliesslich im Netz, wird dadurch der Ruf als "Internet-Partei" nur verstärkt - und das wird in den Medien sicherlich mit negativem Beigeschmack aufgekocht.

  • So gut sich das Internet auch eignet für massenmediale PR, ereicht es doch nur einen Teil der Menschen (siehe oben) und
  • das Internet ist sehr schnelllebig - und damit ist morgen vergessen, was vorgestern gesagt, gesehen und/oder gehört wurde.

Natürlich fordere ich damit keinen "traditionellen" Wahlkampf, wie andere Parteien ihn machen, denn dieser ist offensichtlich ineffektiv und scheint sogar Politikverdrossenheit nur noch zu fördern. Am Beispiel der SPD kann man das gut nachvollziehen, auch wenn das Gesagte nicht nur für diese Partei gelten soll:

  • es werden moderne Inszenierungen geboten, Politiker sind zu Medien-Profis geworden, die sich gut darstellen.
  • Parteien haben ein stringentes und oft sehr modernes Medienkonzept, in dem auch die neuesten Techniken und medialen Trends zum Einsatz kommen, wie z. B. der computeranimierte EU-Wahlwerbespot der SPD. Auch die Pressekonferenzen etc. sind immer gut hingestylt und wirken extrem modern.
  • Bezeichnenderweise steht diese Prästentation den Inhalten diamatral gegenüber - eine Partei, die sich modern präsentiert, aber inhaltlich noch im 20. Jdh. feststeckt. Altersschwache Inhalte in digital aufbereitetem Packpapier.

Meine These ist, dass trotz der Medienaffinität unserer Zeit und unserer Generation ein Wahlkampf und PR im real-life besser und vor allem intensiver wahrgenommen wird. Rechnet man noch die darauf bezogene Berichterstattung darüber hinzu, hat man gleich zwei Plattformen, anstatt nur einer - nämlich primär eine "anfassbare" (!!!) im Alltag und sekundär eine mediale in der Berichterstattung.

Ok, ich sehe natürlich die Nachteile, die so eine nicht primär, sondern "nur" sekundär medienbezogene Öffentlichkeitsarbeit gerade für eine kleine, junge und nicht unendlich finanzkräftige Partei hat: Sie ist teurer als die relativ günstige Präsentation im Internet.

Dennoch denke ich, dass sich eine PR dieser Art lohnt, weil sie dadurch, dass sie im Alltag passiert und "anfassbar" ist, besser (d. h. intensiver) ankommt und dadurch einfach mehr (und positiver) im Gedächtnis bleibt. Vorausgesetzt, man beschränkt diese real-life-PR nicht nur auf Stehtische mit Sonnenschirm.

Damit komm ich (endlich) zu dem, was ich hier eigentlich loswerden wollte: Eine moderne Art der RL-PR (RL = real-life, falls hier tatsächlich einige nicht-Nerds mitlesen sollten).

Wie gesagt, ist die PR mit Stehtischen, Sonnenschirmen, Luftballons und Kugelschreibern etwas altbacken und hat m. M. n. auch nicht wirklich eine nennenswerte Wirkung. Stellt sich also die Frage, wie eine moderne RL-PR aussehen könnte. Aus rein beruflicher Sicht stoße ich immer wieder darauf, dass wir heute nicht nur in einer sehr medienaffinen Welt leben, sondern auch in einer Welt/ Gesellschaft, die sich in ihren Aktivitäten sehr am Eventcharakter orientiert - d. h.: Handlungen und (Freizeit-)Aktivitäten, die als (intensives) Erlebnis angepriesen oder als solches erlebt werden, sind beliebter als relativ ereignislose Beschäftigungen (z. B. Häkeln, einfach mal aus der Luft gegriffen).

Fakt ist, dass Events immer besser ankommen, selbst heutige Demonstrationen werden als Event geplant, angekündigt und durchgeführt; manchmal tritt dann sogar der eigentliche Anlass in den Hintergrund - man war dabei und hat mitgefeiert gegen z. B. Studiengebühren.

Und das wirklich Tolle dran: Gerade wenn die Inhalte in den Hintergrund treten, ist die Bindung der Zielgruppe größer, als wenn man rein inhaltsbezogen vorgeht. Inhalte müssen natürlich rein, aber ich denke es ist didaktisch und strategisch sinnvoller, die Leute behutsam drauf hinzuführen, und sie einfach "dort abzuholen, wo sie stehen". D. h. durch PR mit Eventcharakter werden Interesse und Sympathie geweckt und schon ein paar Inhalte zum Anfüttern mitgegeben. Der Hauptteil der Inhalte muss dann später erfolgen, um die Leute nicht gleich mit einem ideologischen Ungeheuer zu erschlagen.

Wir alle kennen das Schlagwort "Web 2.0". Was wir bei einer real-life-Öffentlichkeitsarbeit bieten müssen, um die Leute nicht nur zu erreichen, sondern auch positiv zu binden, ist: "Alltag 2.0". Konkret heisst das, eben keine Stehtischen mit Sonnenschirmen etc. hinzustellen und auf so viel Gnade zu hoffen, dass sich mal jemand ansprechen lässt und dann noch die Muße hat, irgendwelche Flyer zu lesen und sich evtl. weiter zu informieren. Nein. Wir müssen, und das ist das, was ich vorschlage, im RL das tun, was wir auch im Internet tun: die Leute über kleine, für sie un-aufwändige Mitmach-Aktionen (Blogs, Wikis etc. sind nichts Anderes!) zu gewinnen - Partizipation ist schon insofern wirksamer, als dass Handlungen, an denen man selbst aktiv teilgenomen hat, besser und positiver gemerkt werden.

Eine Frage lass ich an der Stelle offen, nämlich die, wie diese Aktionen konkret aussehen können. Klar ist, dass sie im Vorübergehen ansprechen müssen, und dass sie auch für Passanten, die einfach so zufällig vorbeikommen und nicht die Zeit und den Bock haben, ihre Pläne umzustellen, passen müssen; d. h. sie müssen wie gesagt un-aufwändig sein (leicht zu verstehen, keine Einstiegshürden wie Material oder Geld) und wenig Zeit in Anspruch nehmen. Prinzipiell - auch und vor allem im Hinblick auf die Kosten - eignen sich allerlei kleine Spielchen (wie z. B. hier ), auch die, wie sie schon seit min. 20 Jahren in der Protest- und Hausbesetzerszene genutzt werden.

Dazu hat diese Strategie noch den Vorteil, dass es was Neues ist, was so noch keine politische Partei macht, und seien wir ehrlich: Mit den medialen Inszenierungen großer Parteien können wir nicht mithalten, schon aus finanziellen Gründen. Deswegen: Umdenken und lieber solche einfachen, leicht umsetzbaren, alltagsnahen und nicht abgehobenen Aktionen.

!!! Das demonstriert nicht zuletzt auch Demokratie (Mitmachen statt nur Zuhören oder Konsumieren) und "Volksnähe" (weil es eben nicht so unnahbar und abgehoben ist, mit ganz normalen Menschen als Repräsentanten der Partei).